VON NORA GRAF | 06.11.2015 14:37

Staatlich abgesegnet: Steuervermeidung in der EU

Spätestens seit der „Luxleaks“-Affäre ist bekannt, dass es in der Europäischen Union, was Steuerpraktiken betrifft, nicht immer mit rechten Dingen zu geht. Nach diesen Enthüllungen wurde eine Sonderkommission eingerichtet, um dem Verdacht nach zu gehen, Luxemburg gewähre Großkonzernen (Amazon) steuerliche Vorteile. Mittlerweile nimmt die EU-Kommission aber auch Steuerregelungen in anderen Mitgliedsstaaten unter die Lupe.

Seit Juni vergangenen Jahres also ermittelt die EU-Kommission neben Luxemburg in zwei weiteren Fällen - in Irland und den Niederlanden. Nun sind die ersten beiden Fälle abgeschlossen und die Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager gab die Ergebnisse bekannt. Zum einen ging es um den italienischen Autohersteller Fiat und zum anderen um die amerikanische Kaffeehauskette Starbucks.

Die Kommission kommt zu den Schluss, dass Luxemburg der Finanzierungsgesellschaft von Fiat, und die Niederlande der Kaffeerösterei der Starbucks-Gruppe selektive Steuervorteile gewährt haben. Die nationalen Steuerbehörden in beiden Ländern hatten Steuervorbescheide erteilt, die die Steuerlast für die betroffenen Unternehmen künstlich verringerte. Solche Vorbescheide, sogenannte tax rulings sind an sich völlig legal, damit informieren die Behörden Unternehmen im Voraus über die zu erwartende Steuerlast.

Steueroasen oder "eine Zahl mit zwölf Nullen"

Was Fiat und Starbucks betrifft, so genehmigten die nationalen Steuerbehörden per Vorbescheid jedoch komplexe Konstruktionen, die die tatsächliche und vor allem ökonomische Realität völlig außer Acht lassen. Die damit erteilten Steuervorteile verstoßen daher gegen das EU-Beihilferecht, da diese selektiven Vergünstigungen einer staatlichen Beihilfe entsprechen können.

Nach Artikel 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sind staatliche Beihilfen, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen den Wettbewerb zu verfälschen drohen und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen, grundsätzlich mit dem Binnenmarkt unvereinbar. Die allgemeinen Steuervorschriften der drei betroffenen Mitgliedstaaten stellt die Kommission nicht infrage.

Konkret sieht das bei Starbucks folgendermaßen aus: Starbucks unterhält in den Niederlanden eine Subfirma, die wiederum sämtliche Produkte vom Kaffee bis zu Süßspeisen an die Starbucks-Filialen in Europa, Afrika und den Nahen Osten verkauft. Wenn man sich in seiner Heimatstadt bei Starbucks einen Latte macchiato für 4,60 Euro bestellt, so kauft man diesen nach der Starbucks-Methode in den Niederlanden. Jegliche Gewinne in den einzelnen Ländern fließen somit nach Holland.

Dort wiederum wird der erwirtschaftete Gewinn noch einmal verringert, indem die Kaffeerösterei an Alki, eine Starbucks-Gesellschaft in Großbritannien, eine Lizenzgebühr für das Know-How bezahlt. Ein großer Teil der zu versteuernden Gewinne wird damit zu Unrecht einfach weitergeleitet. Da verwundert es auch nicht, dass der Konzern in Deutschland kaum Ertragssteuer zahlt. Das Geschäft in Deutschland ist laut eigenen Aussagen von Starbucks ein Minusgeschaft, obwohl es eigentlich einen Jahresumsatz von 15 Milliarden Dollar macht.

Sowohl Starbucks als auch Fiat müssen jeweils 20-30 Millionen Dollar Steuern nachzahlen. Nicht gerade viel verglichen mit dem milliardenschweren Jahresumsatz. Immerhin, der erste Schritt sei gemacht, dafür gibt es Lob von Europaparlamentariern und vielen NGOs, nun müsse die EU aber auch weitere Maßnahmen einleiten. Der wirtschafts- und finanzpolitische Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament, Sven Giegold, fordert etwa eine Überarbeitung der europäischen Beihilferegeln. Das Tax Justice Network setzt sich darüber hinaus für mehr Transparenz und die Veröffentlichung von tax rulings ein. Außerdem soll jedes Unternehmen verpflichtet werden, in jedem EU-Mitgliedsstaat zu veröffentlichen, wie viel Steuern es dort entrichtet hat.

Die einzelnen Länder stehen den Forderungen jedoch nicht gerade wohlwollend gegenüber. Im Gegenteil: Es hat eher den Anschein, als ob die EU-Staaten eine länderübergreifende Steuertransparenz mit allen Mitteln verhindern möchten.