Erst einmal muss man ja einreisen in die USA. Das hatten wir gut vorbereitet: den ESTA-Einreiseantrag bereits eine Woche vorher gestellt und die erteilte Genehmigung gedruckt. Keine Waffen, exotische Tiere oder Bazillen dabei, weder eine Nazivergangenheit noch terroristische Anschläge geplant und alles auch in besagtem Antrag versichert.
Bis Toronto klappte alles super, aber dann wollten wir von dort nach New York fliegen. Da war unsere Einreisegenehmigung aus unbestimmten Gründen nicht zu gebrauchen und wir mussten alles noch einmal ausfüllen. Im Anschluss wurden wir einzeln befragt, was wir in den USA vorhaben, wo wir wohnen und ob wir auch ja planen, das Land wieder zu verlassen. Als wir glaubhaft machen konnten, dass wir wirklich nur Touristen statt Terroristen sind, durften wir zum nächsten Sicherheitscheck und von da aus endlich in den Flieger. Es ist nicht neu, dass Amerikaner besonders seit dem 11. September mehr als paranoid sind und so verwundert es nicht, dass in der New Yorker Central Station mehrere Polizisten mit Maschinengewehr unterwegs waren.
Das ist nur eine der Besonderheiten in den USA. Generell fällt dort auch der unfassbar verschwenderische Umgang mit Energie auf. Jedes öffentliche Gebäude ist vollklimatisiert und zwar meist auf ca. 20 Grad Celsius, so dass es wirklich kalt ist. Während wir selbst nachts noch draußen im T-Shirt unterwegs waren, hatten wir doch immer eine Jacke mit – für drinnen. Und wenn es selbst Amerikanern zu kalt wird, kein Problem: Wird eben zusätzlich die Heizung aufgedreht! Geräte laufen einfach weiter, selbst wenn sie nicht mehr gebraucht werden. Und von dem Stromverbrauch etwa durch den blinkenden Werbeterror am Times Square will ich gar nicht erst reden.
Die Vereinigten Staaten verbrauchen pro Einwohner mehr Energie als jeder andere Staat der Erde und sind mit Abstand der größte Energieverschwender weltweit: Mit nur 4,5% Anteil an der Weltbevölkerung verbrauchen die USA 21,3 % der Primärenergie, also fast fünfmal mehr als es proportional der Bevölkerungsgröße entspricht. Nicht nur darin sind die USA Weltmeister. Die 274 Millionen US-Amerikaner verbrauchen außerdem:
32 % des gesamten Papiers
27 % des gesamten Aluminiums
24 % des gesamten Kupfers
23 % des gesamten Öls
13 % des gesamten Stahls
21 % des gesamten Rindfleischs
19 % des gesamten Kaffees
16 % des gesamten Getreides
(Quelle: Greenpeace)
Zum Thema Ernährung fiel mir eine krasse Spaltung der Gesellschaft in Figurbewusste (um nicht zu sagen fanatisch) und Fettleibige auf. Ja, Fettleibige! Noch nie habe ich eine solche Menge an stark Übergewichtigen gesehen. Eines haben beide Seiten gemeinsam: Sie tragen Sportschuhe. Erstere, weil sie morgens um 6 Uhr schon vom Joggen kommen und letztere, weil sie einfach nicht mehr in normale Schuhe passen. Es gibt Kekse, Kuchen und Sandwiches bei Starbucks zu kaufen, bei denen neben dem Preis die Kalorienanzahl aufgedruckt ist. Es gibt fettfreie Milch für den fettfreien Kaffee dort. Vorgeschnittenes, plastikverpacktes Obst in den Supermärkten und Hinweisschilder neben Rolltreppen: „Burn Calories not Electricity – take the stairs“. Und die andere Seite sieht so aus: An jeder Straßenecke ein Fast-Food-Stand, der schon morgens Hot Dogs verkauft. Zum Frühstück entweder Zucker und Fett in Form von Donuts oder mächtige Teller voller Rührei-Imitate und großen Fleischbergen, von denen das Fett tropft. So einen Teller würde nicht mal ein Freund der deutschen Hausmannskost abends herunterbekommen. Alles ist einfach riesig: Kekse gibt es nur in 400-Gramm-Packungen und das McFlurry ist mehr als doppelt so groß wie hier. Es gibt Toast statt Vollkornbrot und Vegetarier können sich auf knurrende Mägen einstellen, denn fast alles dreht sich um Fleisch. Ich werde hier gerade etwas zynisch und damit ungerecht, denn gutes Essen ist teuer und Fettleibigkeit ein Unterschichtenproblem. Obst und Gemüse kostet recht viel, während man für 2 Dollar ein riesiges Fast-Food-Menü bekommt.
Zurück zur Reise: New York war die erste Station. Die Stadt erschlägt einen zunächst, bis man sich an die Hochhäuser, den Lärm und die Menschenmassen gewöhnt hat. Es gibt aber auch ruhige Viertel, die von grünen Parkanlagen geprägt sind. Es ist sehr faszinierend, die Stadt mal live zu erleben, nachdem man sie so oft in Filmen gesehen hat. Im Central Park hat man das Gefühl, gar nicht mehr in einer Stadt zu sein, so leise und idyllisch ist es dort.
Nach drei viel zu kurzen Tagen flogen wir nach Chicago. Die Stadt ist die sauberste und aufgeräumteste, die ich jemals gesehen habe. Und ich wohne in Münster! Trotz der Größe von Chicago sind ab 20 Uhr abends alle Straßen wie ausgestorben, was ein wenig Rentner-Flair auslöst.
Noch beschaulicher wurde es dann in Kalamazoo, einem kleinen Ort in Michigan, wo wir zu einer Familienfeier eingeladen waren. Der Ort sieht aus wie die Kulisse zu Desperate Housewives. Dort stehen die klassischen Einfamilienhäuser mit gepflegtem Vorgarten und Doppelgarage (die jedoch nicht für alle Autos der Familie ausreicht). Die Häuser sind im Vergleich zu deutschen Häusern größer und einförmiger.
Und als ob sich auch wirklich jedes Klischee bestätigen wollte, mussten wir nachts in den Keller: Tornado-Warnung! Das war aber auch das Aufregendste in den drei Tagen. Ansonsten hatten wir Zeit, die anstrengende Zeit in NY zu verarbeiten und endlich Obst und Gemüse zu essen.
San Francisco war das nächste Ziel. Um einiges günstiger als NY entpuppte sich das vermeintliche Hostel als wirklich gutes Hotel. Nach einem Tag in SF mit klassischem Touristenprogramm mieteten wir uns dann drei Tage ein Auto und fuhren in Kalifornien herum. Wunderschön! Eine tolle Landschaft und viele kleine Orte, unter anderem Santa Cruz, boten Abwechslung zum lauten SF, in dem ständig Polizeisirenen zu hören sind. SF ist aber auch eine sehr kreative Stadt: Überall sind künstlerische Graffitis zu sehen, die nichts mit Wandschmierereien zu tun haben. Im Gegensatz zu NY und Chicago wird hier aber auch das arme Amerika sichtbar. Überall sitzen Obdachlose, die teilweise offen Drogen verkaufen.
Insgesamt haben wir sehr unterschiedliche Städte kennen gelernt, die alle ihren besonderen Reiz haben. Der typische Amerikaner bleibt aber suspekt. Vor allem das ständige „How are you?“, das einem von JEDEM entgegengebracht wird, irritiert die zurückhaltenden Deutschen. Wollen die eine Antwort? Wollen sie nicht. Man kann es als übertriebene Höflichkeit oder vorgeschobenes Interesse bezeichnen. Irgendwie ist es aber auch einfach nett, angesprochen zu werden und Hilfe angeboten zu bekommen. Anstrengend ist dann schon eher, dass Amis alles als „awesome!“ oder gar „really kind of awesome“ bezeichnen, ganz gleich, wie scheußlich oder langweilig oder egal es ist. Und die Flaggenmanie und das patriotische Gehabe muss ich auch erwähnen, auch wenn das Thema schon etwas ausgetreten ist. Es nervt!
Ich werde dieses Land wohl nie verstehen. Dennoch möchte ich gerne wieder hin. Irgendwie war es doch AWESOME!