Der Bahnhof liegt außerhalb von Darwin und mich überfällt ein ganz starkes Gefühl, als ich den unvorstellbar langen Zug in der Ferne vor mir erkenne. Nach einigen Fotos steige ich als erster ein und nehme den für mich reservierten Platz in Beschlag. Viele zumeist ältere Reisende haben ihr Gepäck aufgegeben, ich verfrachte meinen Rucksack ins Gepäcknetz. Angenehme und passende Countrymusik unterhält uns aus den Lautsprechern.
Der Zugbegleiter begrüßt uns und erklärt die örtlichen Begebenheiten, zeigt uns den Trinkwassertank, zeigt, wo die Duschen sind und die Handtücher liegen, wo Müll zu entsorgen ist und erklärt, dass man ein Tischchen vor den Sitzen befestigen kann. Uns als Reisende der preiswerten Kategorie stehen eine Lounge und ein Speisewagen "Red Kangaroo" zur Verfügung, die Gäste der 1. Klasse dürfen den Luxus "Gold Kangaroo" genießen.
Langsam setzt sich der Zug in Bewegung, die ersten Kilometer schleicht er ruhig dahin, seine Spitzengeschwindigkeit liegt bei 85 km/h.
Ich versuche ein Gespräch mit einem deutschen Ehepaar, das mir aber zu überheblich tut und alles schon vier Mal erlebt hat. Später unterhalte ich mich eine ganze Weile mit einem sympathischen jungen Franzosen, der auf seiner ersten Auslandsreise und dann gleich am anderen Ende der Welt ist.
Aber auch der Blick aus dem Panoramafenster ist unvorstellbar schön, riesige Landschaften, hin und wieder ein Känguru, mal ein Rind, dann und wann ein paar Schafe. Mal ist es ein Fluss, der meine Aufmerksamkeit auf sich zieht, dann wieder die unendliche Weite.
Auf der Mattscheibe im Abteil wird ein Rittervideo gezeigt, im gesamten Zug herrscht Rauchverbot.
Nach vier Stunden dann der erste Halt: Katherine. Auch dieser Bahnhof liegt weit außerhalb der Stadt. Wir haben einige Stunden Zeit und die örtlichen Veranstalter bieten eine Bootsfahrt im Katherine-Nationalpark an, einen Hubschrauberflug, eine Kanutour oder auch nur eine Fahrt in die Innenstadt. Ich habe keine Lust, die ganze Zeit im Zug zu warten und buche einen Flug.
Der Landeplatz ist sehr exklusiv, immerhin steht ein Wartehäuschen mit Holzbank und Trinkwassertank zur Verfügung. Insgesamt sind wir vier Passagiere, geflogen wird jeweils zu zweit in zwei Etappen. Wir sind rund 20 Minuten in der Luft, haben eine prächtige Aussicht und der Pilot gibt sich viel Mühe, uns über Kopfhörer mit den wichtigsten Informationen zu versehen. Ich persönlich genieße den Flug sehr und freue mich, in diesem Punkt nicht gespart zu haben.
Während wir in einem Park auf die Teilnehmer der Bootsfahrt warten, haben wir Gelegenheit, rund 10 Kängurus beim Äsen zuzusehen. Sie scheinen an Menschen gewöhnt zu sein und die übliche Scheu abgelegt zu haben. Graziös lassen sie das Fotografieren über sich ergehen.
Nach kurzer Shoppingpause in der Innenstadt, wo sich meiner Meinung nach viele Aborigines aufhalten, fahren wir endlich wieder zum Bahnhof, auf einem Gehöft steht eine alte Dampfmaschine. Im Ort wundere ich mich über die australischen Autofahrer: Man braucht nur in die Nähe eines Zebrastreifens zu kommen und schon reduzieren sie die Geschwindigkeit oder halten an.
Dann sind wir am Zug, ich zähle außer den zwei Lokomotiven 24 Wagen und einen Autoanhänger. Jetzt ist es Zeit zum Abendessen und zusammen mit dem Franzosen gönne ich mir Chicken mit Gemüse, wir verzehren es in der Lounge. Langsam legt sich schwere Dunkelheit über das Land.
Später bleibe ich noch allein sitzen, schaue aus dem Fenster, bin bester Stimmung und beobachte einen älteren Herrn mit einer Flasche Rotwein, hin und wieder hebt er sein Glas und trinkt genüsslich einen Schluck. Er bemerkt mein Interesse und winkt mich zu sich heran.
Sogleich verfallen wir in ein angeregtes Gespräch und bestellen gleich eine weitere Flasche und ein zusätzliches Glas. Dr. Garth D Pettit, mein Trinknachbar, ist Direktor eines Unternehmens in der Zahnmedizin. Er arbeitet in Katherine und will seine in Adelaide wohnende Ehefrau besuchen.
Später gesellen sich noch Dean, ein Australier im Internetbusiness, und seine türkische Ehefrau zu uns. Beide wohnen in der Türkei und sind auf Urlaubsreise. Schnell werden weitere Flaschen bestellt. Garth versucht mit mäßigem Erfolg das deutsche Lied "Ein Prosit der Gemütlichkeit" zu singen und ist mir für jede stimmliche und textliche Hilfe und Unterstützung dankbar. Später tanzt er noch ausgiebig mit unserer Tischnachbarin.
Wir sind uns alle einig: Wären alle Menschen Fremden gegenüber so aufgeschlossen wie wir, würde es niemals Kriege geben. Rotwein in Mengen genossen macht halt philosophisch …
Ein für mich unvergesslicher wunderschöner Abend neigt sich dem Ende zu.
Über Nacht hat sich die Landschaft verändert, rote Erde soweit das Auge reicht. Pünktlich um 9.00 Uhr erreichen wir Alice Springs. 1.415 km Entfernung liegen hinter uns, einschließlich aller nötigen oder unnötigen Pausen haben wir die Strecke in gut 23 Stunden geschafft.