VON CLEMENS POKORNY | 30.03.2015 15:40

Privatschulen: Individuelle Förderung oder überflüssige Abzocke?

Privatschulen sind erheblich teurer als öffentliche – aber auch besser? Vor allem unterscheiden sie sich oft weltanschaulich von öffentlichen Bildungseinrichtungen, insbesondere die kirchlichen, die Montessori- und die Waldorfschulen. UNI.DE stellt die größten privaten Träger der sogenannten „Ersatzschulen“ vor und beleuchtet Vor- und Nachteile für die Schülerinnen und Schüler und für deren Eltern.

Das deutsche Bildungswesen hat auf den PISA-Schock reagiert und schon vor über zehn Jahren das betriebswirtschaftliche Instrument der Evaluation verstärkt eingeführt. Fast alljährlich wird seitdem mit flächendeckend gleichen Aufgaben überprüft, was die Schülerinnen und Schüler eines Jahrgangs können – und woran es noch mangelt. Mit den Jahrgangsstufentests legten die Verantwortlichen in der Politik einen Schwerpunkt auf den Output, die messbaren Ergebnisse, der Schulen. Diese Strategie zeitigte bekanntlich eher mäßige Erfolge. Und nicht nur langjährige Lehrkräfte an öffentlichen Schulen berichten, dass das Niveau ihrer Schützlinge seit Jahren sinke. Dafür mag es viele verschiedene Ursachen geben – und aus Sicht einer wachsenden Zahl von Eltern eine einfache Lösung: Privatschulen.

Wer über sie spricht, wirft genau genommen vieles in einen Topf, das kaum zu vergleichen ist. Gemeinsam ist den Privatschulen neben dem Schulgeld unterschiedlicher Höhe (bis zu 2000 EUR/Monat) vor allem die staatliche Aufsicht, die unter anderem sicherstellen soll, dass Privatschülerinnen und -schüler die gleichen Kompetenzen erwerben und sich vergleichbare Inhalte erarbeiten wie das an öffentlichen Schulen der Fall ist. Denn grundsätzlich soll auch der Besuch von Privatschulen dazu befähigen, die staatlich anerkannten Schulabschlüsse wie Abitur oder Mittlere Reife zu machen.

Privathochschulen und ihr Ruf

Die weitaus meisten Privatschulen in Deutschland und Österreich befinden sich in kirchlicher Trägerschaft und unterscheiden sich von staatlichen und städtischen Schulen fast nur dahingehend, dass das christliche Menschenbild und der dazugehörige Wertekanon eine große Rolle im Schulleben spielen. Latein und Altgriechisch spielen vor allem an den katholischen Privatschulen oft eine größere Rolle als an öffentlichen Bildungseinrichtungen. Die Zugehörigkeit zur katholischen oder evangelischen Kirche wird für den Besuch offiziell nicht vorausgesetzt, doch de facto entscheiden sich kirchliche Schulen bei Bewerberüberhang verständlicherweise eher für getaufte, deren Eltern sich bestenfalls in der jeweiligen Religionsgemeinschaft engagieren. Lehrkräfte können an kirchlichen Schulen als Kirchenbeamte mit einem nahezu gleichen Gehalt wie an staatlichen Schulen arbeiten.

Die Montessori-Schulen – es sind zu 75% Grundschulen – verfolgen dagegen ein eigenes pädagogisches Konzept: „Hilf mir, es selbst zu tun.“ Selbstständiges und selbstbestimmtes Lernen stehen also im Vordergrund der deutschlandweit etwa 400 Einrichtungen, die in der Tradition von Maria Montessori (1870-1952) stehen. Die italienische Ärztin und Reformpädagogin erkannte in ihrer Arbeit mit behinderten Kindern die Bedeutsamkeit individueller Förderung und entwickelte spezielle Lernmaterialien für die von ihr unterschiedenen fünf Lernbereiche (tägliches Leben, Sinne, Mathematik, Sprache und „kosmische Erziehung“), die als „Montessori-Material“ bis heute eingesetzt werden.

Noch stärker von einer vom Christentum ausgehenden Weltanschauung sind die Waldorfschulen geprägt. Sie gehen auf den Esoteriker Rudolf Steiner (1861-1925) zurück, der mit der „Anthroposophie“ eine komplexe Deutung des Menschen als kosmisches Wesen mit vier „Wesensgliedern“ (physischer, ätherischer, Astralleib und Ich) entwickelte, deren erste drei sich nach Steiner in den ersten drei „Lebensjahrsiebten“ ausprägen. Die 1919 in Stuttgart gegründete erste Waldorfschule umfasste wie auch heute noch zwölf Jahrgangsstufen. Auch die meisten der damals unterrichteten Fächer sind geblieben, z.B. Musik und verschiedene künstlerische und handwerkliche Fächer, zwei Fremdsprachen, Sport sowie Eurythmie, eine Bewegungskunst. Typisch für Waldorfschulen ist auch der sogenannte Epochenunterricht, bei dem ein einzelnes Fach oder aber ein fächerübergreifendes Thema über einen gewissen Zeitraum („Epoche“, meist drei Wochen) sehr intensiv behandelt wird. Die Unterschiede zum staatlichen Fächerkanon und die relativ großen Freiheiten für Lernende und Lehrende haben den Nachteil, dass die Vorbereitung auf die staatlichen Schulabschlüsse nicht so gezielt erfolgen kann wie an staatlichen Schulen, aber fast alle Waldorfschüler machen einen staatlich anerkannten Abschluss, zu 48% das Abitur (nach 13 Jahren Waldorfschule).

Zu den übrigen Privatschulen gehören einerseits die internationalen Schulen, an denen der Unterricht in einer Fremdsprache oder bilingual erteilt wird und die mit oft mit dem „International Baccalaureate“ (IB) abgeschlossen werden, einem, vereinfacht gesagt, international anerkannten Abitur, das auch zum Studium im fremdsprachlichen Ausland berechtigt. Andererseits gibt es viele einzelne Privatschulen unterschiedlichster Prägung in der Trägerschaft von Vereinen oder Privatpersonen.

Sind Privatschulen nun besser als öffentliche? Darüber lässt sich durchaus diskutieren. Die in Leistungserhebungen oft festgestellten durchschnittlich besseren Noten lassen sich in erster Linie auf den sozioökonomischen Hintergrund der Kinder und Jugendlichen zurückführen. Will heißen: Schülerinnen und Schüler aus wohlhabenden und gebildeten Elternhäusern, die an den teuren Privatschulen natürlich überproportional vertreten sind, genießen zu Hause viel Unterstützung und wachsen in einem bildungsnahen Umfeld auf; das bedingt größere Lernerfolge. Andererseits sind viele Privatschulen als Resterampe für Jugendliche verschrien, die von öffentlichen Schulen entweder wegen schlechten Benehmens verwiesen wurden oder diese wegen zu schlechter Zensuren (z.B. zweifache Verfehlung des Klassenziels) schlicht nicht mehr besuchen dürfen.

Wer also unschlüssig ist, ob sein Kind eine öffentliche oder eine private Schule besuchen soll, sollte daher genauso handeln wie in dem Fall, dass mehrere öffentliche Schulen zur Auswahl stehen: Sich die Schulen persönlich ansehen, mit Schülerinnen, Schülern und deren Eltern sprechen, kurzum die betreffenden Schulen rechtzeitig vorab gut kennenlernen. Denn auch unabhängig von Träger und ggf. Weltanschauung unterscheiden sich die einzelnen Bildungseinrichtungen erheblich voneinander, nicht nur durch ihr Konzept, sondern auch durch den Lehrkörper, die Schüler- und Elternschaft, die Lage u.v.m.