VON MAXIMILIAN REICHLIN | 27.07.2015 14:48

Meinungsfreiheit ohne Meinungsfreiheit – Wenn Journalisten der Mund verboten wird

Wenn es gegen Journalisten geht reagiere ich zugegebenermaßen manchmal etwas überempfindlich. Berufsbedingt, aus Solidarität. Weil wir die Guten sind, zumindest meistens. Klar, unsere Texte stoppen nicht die globale Erwärmung oder heilen Krebs. Aber trotzdem versuchen wir mit unserer Arbeit, die Welt ein wenig besser zu machen. „Besser“, so wie wir es verstehen. Das gilt für Liberale genauso wie für Konservative, das gilt für links und rechts, für Männlein und Weiblein. Ich teile die Meinungen meiner Kolleginnen und Kollegen nicht immer, und das muss auch gar nicht sein, solange über eine einfache Tatsache ein Konsens erreicht wird: Dass wir alle unsere Meinung haben und sie auch äußern dürfen, denn sonst hat das alles hier keinen Sinn. Und im Zweifelsfall bin ich dann doch lieber auf der Seite des rechten Journalisten, der subjektiv begründet, warum er die PEGIDA gut findet, als auf der Seite des linksradikalen Shitstorms, der ihn dafür mundtot machen will.


Ich schreibe darüber aus aktuellem Anlass, denn gerade in der letzten Zeit scheinen sich die Fälle zu häufen, in denen die vielgelobte Meinungsfreiheit in diesen Breiten mit Füßen getreten wird. Zuerst verlor vor einigen Wochen die Kolumnistin Barbara Eggert ihren Job beim Westfalenblatt, weil ihr Ratgeber „Guter Rat am Sonntag“ einen Shitstorm ausgelöst hatte. Eggert hatte in der Kolumne einem Vater geraten, seine beiden jungen Töchter nicht mit zur Hochzeit des schwulen Onkels zu nehmen, „um die Kinder nicht zu verwirren“. In einem anderen Fall wurde die junge Publizistin Ronja von Rönne von Frauenrechtlerinnen in die rechte Ecke gedrängt, weil denen von Rönnens Beitrag zu einer Serie der Welt nicht gefiel. In diesem hatte sich die Bloggerin negativ über den modernen Netz-Feminismus geäußert. Die darauf folgende Hasskampagne, die nicht nur von den Feministinnen sondern etwa auch von der Antifa geführt wurde, nötigte von Rönnen schließlich dazu, sich auf unbestimmte Zeit vom Online-Journalismus zu verabschieden.

Ohne Angst verschieden sein

Und das ist das wahre Verbrechen. Nicht dass eine konservative Journalistin ihre Bedenken über die Einflüsse von Homosexualität auf Kinder äußert. Nicht dass eine junge Bloggerin sich als Antifeministin bekennt. Sondern dass sie das, nach Meinung ihrer Gegner, offenbar nicht dürfen. Dabei hat keine der beiden Frauen über die Stränge geschlagen. Obwohl von Rönnens Beitrag durchaus provokant ist; davon, dass bekennende Feministinnen an Laternen aufgehängt werden sollten, ist in dem Text nicht die Rede. Dafür aber umgekehrt in den Morddrohungen der linken Autonomen gegen die Autorin auf deren Twitter-Seite. Weil sie gesagt hat, was sie denkt, und dabei eine unpopuläre Meinung geäußert hat. Wo zum Teufel leben wir, in Nordkorea?

Sicher, im Falle Barbara Eggerts könnte man durchaus mit der Aufgeklärtheits-Fahne wedeln und bei sich denken: „Das seh' ich anders.“. Und über die immer mal wieder aufgewärmte Feminismus-Debatte kann man sowieso geteilter Meinung sein. Dafür gibt es Lösungen: Argumente finden, Leserbriefe schreiben, diskutieren, kommentieren, oder einfach ignorieren. Problematisch wird es aber, wenn statt der Fahne die Keule geschwungen wird, die Homophobie- oder die Rassismus-Keule, und wenn deswegen jemand seinen Job verliert oder freiwillig aufgibt. Das hat mit Aufgeklärtheit nichts mehr zu tun. Das ist nicht gerecht. Das ist nicht zeitgemäß. Das ist Blödsinn.

Denn wir brauchen kritische Stimmen. Wir brauchen Meinungen, die polarisieren. Wir brauchen Texte, die gegen den Mainstream wettern. Sonst haben wir in diesem Land bald keine Journalisten mehr, keine mutigen Streiter für die Wahrheit – verzeiht mir den Pathos – sondern nur noch eingeschüchterte Schreiberlinge, die vor den Populisten kuschen. Meinungsmacher statt Meinungssager. Und das wäre fatal. Ach, und eines noch. Sollten die Mitglieder von PEGIDA diesen Beitrag im Netz finden, und sich aufgrund meiner Einleitung genötigt fühlen, ihn gut zu finden, lasst euch gesagt sein: Ich mag euch immer noch nicht. Aber ich bin jederzeit auf eurer Seite, wenn es um die Frage geht, ob eure Publizisten ihre Überzeugungen äußern dürfen. Solange sie fair und sachlich bleiben. Und das ist meine kleine unpopuläre Meinung für den heutigen Tag.