VON JASCHA SCHULZ | 20.07.2015 16:06

Die NS Zeit und Meinungsfreiheit in Deutschland

In Deutschland darf fast alles behauptet werden, so lange geltendes Recht nicht verletzt wird. Das garantiert Artikel 5 unseres Grundgesetzes. Einen Sonderfall stellt allerdings die Meinungsäußerung bezüglich der NS-Vergangenheit des Landes dar. Eine Verherrlichung dieser Zeit ist strafbar, wenn sie den öffentlichen Frieden gefährdet. Dies betrachten viele als einen Angriff auf das Grundgesetz.





Es gibt keine deutsche Identität ohne Ausschwitz.“

Diese Worte sprach Joachim Gauck am Gedenktag zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz. Auch Bundestagspräsident Lammert erinnerte an die Verantwortung, die Deutschland aufgrund seiner Vergangenheit trage. Er bezeichnete Auschwitz als Synonym für den „historischen, beispiellosen, industrialisierten Völkermord“. Das deutsche Trauma.

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Seit etlichen Jahren versuchen deutsche Politiker die Bundesrepublik vehement von den Machenschaften des NS-Regimes abzugrenzen. Die neue deutsche Identität ist deshalb niemals frei. Sie trägt Auschwitz immer mit sich. Das neue Deutschland bestimmt sich vor allem in Opposition zu dem, was damals geschehen ist. Zumindest ist dies die Ansicht seiner Volksvertreter.

Das Bundesverfassungsgericht teilt diese Ansicht. Das NS Regime habe für die verfassungsrechtliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland eine „gegenbildlich identitätsprägende Bedeutung, die einzigartig ist“. Um diese Ausrichtung des Grundgesetzes, als Gegenentwurf zur Ideologie der Jahre 1933-45 aufrecht zu erhalten, nimmt das Verfassungsgericht sogar Einschränkungen der Meinungsfreiheit in Kauf. Dabei sind in Deutschland eigentlich auch Meinungen erlaubt, „die auf eine grundlegende Änderung der politischen Ordnung zielen, unabhängig davon, ob und wie weit sie im Rahmen der grundgesetzlichen Ordnung durchsetzbar sind.“ Auch die Beeinträchtigung des „allgemeinen Friedensgefühls“ oder der „Vergiftung des geistigen Klimas“ gelten nicht als Grund für eine Einschränkung der Meinungsfreiheit, ebenso wenig wie die „offenkundig falsche Interpretation der Geschichte“. Aufgrund dessen scheint zunächst nicht ersichtlich, warum eine Verherrlichung der NS-Zeit unter Strafe gestellt wird. Allerdings wird die proklamierte Identität der Bundesrepublik als ausreichender Grund für eine Einschränkung des Grundgesetzes angesehen. Eine Befürwortung der NS-Herrschaft gefährde diese Identität und habe somit friedensbedrohendes Potential. Deshalb sei sie nicht mit anderen Meinungsäußerungen vergleichbar. Aus diesem Grund macht sich strafbar, wer „öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt“. Der Volksverhetzungsparagraph, der auch eine Holocaustleugnung unter Strafe stellt, wurde durch Hinzunahme dieses Absatzes nochmal verschärft.

Das Verfassungsgericht sieht Artikel 5 des Grundgesetzes durch diese Einschränkungen seines wesentlichen Gehalts nicht beraubt. Kritische Stimmen widersprechen dem Bundesverfassungsgericht und sehen eine derartige Einschränkung des Grundrechts als verfassungswidrig an. Bei der Entscheidung, eine Verherrlichung des NS Regimes unter Strafe zu stellen, ginge es nicht darum, den öffentlichen Frieden zu schützen. Vielmehr wolle der Staat ein Zeichen setzen. Er weiche ein Grundrecht auf, um Deutschland vom Schmutz seiner Vergangenheit zumindest teilweise zu reinigen. Horst Meier bezeichnete in der Merkur-Zeitschrift die „ausdrückliche Rechtfertigung von Sonderrecht gegen rechtsradikale Ansichten“ als den „Sünden-fall schlechthin“. Es darf allerdings bezweifelt werden, dass aufgrund dieses Sonderrechts die Meinungsfreiheit nach und nach durch weitere Sonderregelungen beschränkt wird. Die Bedeutung der NS-Vergangenheit besitzt in Deutschland tatsächlich Ausnahmestatus. Ob die Beschränkung der Meinungsfreiheit bezüglich der NS-Zeit jedoch Artikel 5 des Grundgesetzes selbst widerspricht, ist eine Frage, die bestehen bleibt.