VON ANGELA SCHWEIZER | 03.07.2015 14:03

Charlie Hebdo: Was darf Satire und wo sind die Grenzen der Meinungsfreiheit?

Die schrecklichen Attentate von Paris versetzten die Welt in Schock. Am Tag danach schien die internationale Presse in zwei Lager gespalten zu sein: diejenigen, die die Mohammed-Karikaturen abdruckten und diejenigen, die sich dagegen entschieden. Letzteren wurde Feigheit vorgeworfen, mangelnde Solidarität oder die Einschränkung der Meinungsfreiheit. Doch darf Satire wirklich alles? Wo sind die Grenzen der Meinungsfreiheit und wo fängt Diskriminierung an?



„Charlie Sein oder Nicht-Sein“

Unter dem Hashtag „Je suis Charlie“ und dem Slogan als Facebook-Profilbild trauerten Menschen auf der ganzen Welt wochenlang um die Opfer und zeigten Solidarität mit dem französischen Satiremagazin. Kurz darauf entstand der Hashtag „Je ne suis pas Charlie“. Viele drückten dort ihr Unbehagen darüber aus, die Karikaturisten von Charlie Hebdo als „Märtyrer der Meinungsfreiheit“ zu feiern. Obwohl sie die tödlichen Anschläge aufs Schärfste verurteilten, identifizierten sie sich nicht uneingeschränkt mit dem Satire-Magazin und kritisierten die oftmals rassistischen, sexistischen und homophoben Karikaturen.

Raif Badawi

Auch die New York Times entschied sich dagegen, die Karikaturen abzubilden. Dies geschah nicht aus Angst, auch Ziel von Anschlägen zu werden, sondern aufgrund der amerikanischen Anti-Diskriminierungs-Gesetze. Wären die Mohammed-Karikaturen während der letzten zwei Jahrzehnte auf irgendeinem amerikanischen Universitätscampus veröffentlicht worden, wären sie dort keine 30 Sekunden geblieben, so der New-York-Times-Kolumnist David Brooks. Sie würden unter die Kategorie „Hate Speech“ fallen.

Die Gründung Charlie Hebdos und die historischen Ursprünge der Meinungsfreiheit in Deutschland

Charlie Hebdo wurde 1969 in Frankreich gegründet und ist eigentlich eine linke Institution, die einer antirassistischen und anarchistischen Tradition entspringt. Obwohl die Redaktion stets betonte, nach allen Seiten auszuteilen, wurden vor allem der Islam und die muslimische Glaubensgemeinschaft in den letzten Jahren in fast schon obsessiver Weise beleidigt. Ist dieses dogmatische Humorverständnis eine kulturelle Universalie und ein westlicher Wert, der verteidigt werden muss? Auch die muslimische Glaubensgemeinschaft in Deutschland verurteilte die Anschläge und ließ trotzdem verlauten, dass die Karikaturen sehr verletzend sind.

Laut Artikel 5 des Grundgesetzes hat in Deutschland jeder Mensch das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Weiter werden darin die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Funk und Film und das Verbot der Zensur gewährleistet. Beschränkt wird die Meinungsfreiheit durch die Bestimmungen zum Schutz der Jugend und dem Recht der persönlichen Ehre.

Geht es um den Schutz höherwertiger Gemeinschaftsgüter und –werte, kann die Meinungsfreiheit also eingeschränkt werden. Laut dem Islam- und Politikwissenschaftler Muhammad Sameer Murtaza fällt eine Beleidigung des Propheten Muhammad oder die Verbrennung des Qur´an immer noch unter Meinungsfreiheit. Dies liegt historisch begründet in dem Konflikt zwischen römisch-katholischer Kirche und Aufklärung. Die Französische Revolution führte schließlich zu einer republikanisch-laizistischen Kultur, die mit einer katholisch-konservativ, klerikalen Subultur im Konflikt stand. Wenn auch nicht in gleicher Weise, so prägt dieser Konflikt noch heute Europa, da „die historische Erfahrung einer religiösen Bevormundung und Diktatur auf den Islam übertragen“ werde, so Sameer Murtaza.

Charlie Hebdo wegen Antisemitismus verurteilt

Bei antisemitischen Beleidigungen zeigt die französische Regierung ein anderes Verständnis von Meinungsfreiheit und setzt diese nicht absolut: Im Jahr 2009 wurde das Magazin wegen einer antisemitischen Darstellung verurteilt, ein Redakteur wurde entlassen. Die Redaktion veröffentlichte immer wieder diskriminierende Beiträge, einmal zeigten sie eine Karikatur, auf der die schwarze Justizministerin Taubeira als Affe abgebildet war.