VON C.V.A. | 11.04.2013 17:29

Die Lebensmittelindustrie – ein ungesundes Übel?

Gammelfleisch, dioxinverseuchtes Tierfutter, EHEC oder jüngst die Aufregung um falsch deklariertes Pferdefleisch und vermeintlichen Bio-Eier-Betrug. Die Reihe der Lebensmittelskandale in Deutschland ist lang. Das Vertrauen der Verbraucher in die Nahrungsmittelindustrie hat darunter erheblich gelitten.

Das Image der Lebensmittelindustrie ist schlecht wie nie. Dazu haben nicht nur die zahlreichen Skandale in den vergangenen Jahren beigetragen. 77 Prozent der Verbraucher glauben, dass die Verpackungsangaben die Produkte besser darstellen als sie tatsächlich sind. Das Misstrauen ist gewaltig. Doch daran trägt die Nahrungsmittelindustrie in Deutschland, in der fast fünf Millionen Menschen beschäftigt sind und 170 Milliarden Euro jährlich umgesetzt werden, vor allem selbst Schuld.

Privatisierung: Wenn das Wasser der Industrie gehört

Die Lebensmittelindustrie sieht sich den Vorwürfen ausgesetzt, bewusst ungesunde Lebensmittel zu produzieren, da sich mit diesen deutlich größere Gewinne machen lassen. Besonders Kinder sind Abnehmer dieser süßen und fettigen Produkte, die so schon früh an das ungesunde Junkfood herangeführt werden. Eine Studie der medizinischen Fachzeitschrift "The Lancet" untermauert diesen Vorwurf und prangert die Lebensmittelindustrie an, die staatlichen Gesundheitsvorgaben zu umgehen. Systematisch versucht diese, die Verbraucher von Salz, Fett und Zucker abhängig zu machen und zu täuschen.

Problematisch ist dabei, dass viele Tricks der Hersteller rechtlich legal sind. Die Verbraucher dürfen ganz bewusst in die Irre geführt werden. Bekannte Beispiele sind der Analogkäse, der aus Eiweiß, Öl, Wasser und Geschmacksverstärkern hergestellt wird oder der Ersatzschinken, der aus minderwertigem Fleisch zusammengepresst wird. Fragwürdig ist sicher auch, warum Louisiana-Flusskrebs aus China stammen darf oder wieso Fruchtjoghurt mit dem Verpackungshinweis "mit Früchten" gerade einmal sechs Prozent Obst beinhalten muss. Die Verpackungen locken die Verbraucher zunächst mit falschen Angaben, die Informationen über die tatsächlichen Inhaltsstoffe finden sich meist nur im Kleingedruckten. Fettige und energiereiche Nahrungsmittel werden zudem insgesamt besonders aggressiv beworben.

Grundsätzlich ist zwar davon auszugehen, dass die industriell hergestellten Lebensmittel in Maßen nicht gesundheitsschädlich sind. Doch für viele Mediziner und Gesundheitsexperten sind Softdrinks und Junkfood mit- verantwortlich für den Anstieg von Herzerkrankungen, Diabetes und Schlaganfällen. Die zahlreichen Geschmacksverstärker und künstlichen Farbstoffe stehen zudem im Verdacht Allergien und Unverträglichkeiten auszulösen. Besonders kritisch zu sehen ist dabei, dass der Verbraucher der Lebensmittelindustrie in gewisser Weise ausgeliefert ist. Denn diese bestimmt nicht nur, was in den Lebensmitteln drin ist. Sie bestimmt auch, was wie beworben wird. Da mit vermeintlich ungesundem Essen mehr Geld verdient werden kann, wird hier freilich wesentlich mehr investiert. Entsprechend häufig greift der unbedarfte Verbraucher zu den kalorienreichen eher ungesunden Nahrungsmitteln.

Die Politik setzt vor allem darauf, dass sich die Lebensmittelindustrie selbst kontrolliert und reguliert. Dass dies aber nicht funktioniert, hat sich nun immer wieder gezeigt. Der Verein foodwatch versucht daher schon seit fünf Jahren für den Schutz und die Gesundheit der Verbraucher einzutreten. Er macht auf Missstände aufmerksam und deckt immer wieder Täuschungsversuche der Lebensmittelindustrie auf. Ziel ist es, die Gesetze im Sinne der Verbraucher zu ändern. Die Verbraucher sollen eindeutig erkennen können, was in den Lebensmitteln enthalten ist, damit sie wieder selbst bestimmen können, was sie zu sich nehmen wollen.

Doch nicht nur die Menschen sind von den Folgen der industriellen Lebensmittelherstellung betroffen. Katastrophal sind die Zustände in der Tierzucht. Teilweise finden sich bis zu 800.000 Legehennen oder 90.000 Schweine auf engstem Raum zusammengepfercht. Nur der breite Einsatz von Medikamenten wie Antibiotika ermöglicht überhaupt deren ungesunde Aufzucht, die von chronischen Schmerzen der Tiere begleitet ist. Bis zu zwölf Millionen Schweine verenden jährlich an den Folgen der Massentierhaltung. Die Politik fordert zwar ständig eine artgerechtere Tierhaltung – tatsächlich passiert auf diesem Gebiet aber viel zu wenig.

Die Schuld für diese Zustände ist aber nicht ausschließlich in der Profitgier der Unternehmen oder der laxen Kontrollen durch Politik und Behörden zu suchen. Dass es soweit kommen konnte, liegt auch an den Verbrauchern. Gerade einmal elf Prozent des Haushaltseinkommens geben Deutsche für Lebensmittel aus – die Italiener investieren fast das Doppelte. Damit sich die Situation grundlegend ändert, müssen daher nicht nur striktere Gesetze geschaffen und schärfere Kontrollen durchgeführt werden. Es muss auch ein Umdenken der Verbraucher stattfinden. Wenn die Herstellung von Lebensmitteln ökologischen Standards entsprechen und nachhaltig sein soll, kostet dies eben etwas. Bewussteres Einkaufen kann zudem dazu beitragen, die Verschwendung von Lebensmitteln zu reduzieren. Außerdem sollten Eltern schon früh darauf achten, ihren Kindern eine gesunde Ernährungsweise zu vermitteln und selbst als gutes Beispiel voran zu gehen.

Klar ist, dass die Bevölkerung und auch deren Ansprüche so stark gewachsen sind, dass es ohne industrielle Lebensmittelproduktion und chemische Zusätze gar nicht mehr funktionieren würde. Dabei ist billig zwar nicht immer ungesund, aber nur billig können gesunde Lebensmittel und vermeintliche Luxusgüter wie Fleisch und Fisch nicht produziert werden. Der steigende Umsatz in der biologischen Lebensmittelproduktion zeigt, dass ein Anfang getan ist, aber eben nur ein Anfang.