VON JULIA ZETZ | 25.07.2013 12:42

Kontrollpunkt: Essen

Für Marie fing es harmlos an. Ein Speckröllchen hier und ein paar überflüssige Gramm dort. Der Sommer kam und sie wollte eine gute Figur in ihrem Bikini machen. Da musste eine Diät her. Möglichst schnell sollte es gehen, denn immerhin wollte sie bald am Strand liegen und dabei eine gute Figur machen. So schwer kann das ja nicht sein, dachte sie. Die Mädels in den Modemagazinen sind immerhin auch so schön dünn. Schnell suchte sie den nächsten Drogeriemarkt auf und fand auch was sie suchte. Ein gelbes Pulver, das eine Mahlzeit ersetzen sollte. Jetzt nur noch den Süßkram weglassen und schon sollte der Weg zur Traumfigur gelegt sein. Dass sie genau mit dieser Entscheidung, den Weg in eine gefährliche Essstörung fand, war Marie zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar.


Essstörungen haben viele Gesichter

Sich selbst zu vertrauen...

Eine Diät ist noch keine Essstörung. Wer auf sein Gewicht achtet und sich gesund ernährt, der ist noch lange nicht krank. Doch wann beginnt eigentlich eine Essstörung? Für Marie war der Übergang schleichend. Zuerst ersetze sie eine Mahlzeit mit einem Diätdrink und ließ Süßigkeiten und fettiges Essen links liegen. Der Erfolg kam schnell, was vor allem daran lag, dass Marie nicht übergewichtig war. Sie wollte nur ein paar Kilo verlieren. Nach sechs Wochen zeigte die Waage schon vier Kilo weniger an. Freunde und Bekannte waren begeistert und Marie genoss die lobenden Worte. Vielleicht war genau das der Punkt, an dem ihre Essstörung begann.

Im Allgemeinen unterscheidet man zwischen drei Arten von Essstörungen: der Magersucht, der Bulimie und der Binge-Eating-Störung. Bei der Magersucht ist das auffälligste Merkmal der beinah komplette Verzicht auf jegliches Essen. Oftmals einhergehend mit einem Übermaß an Sport. Eine Essstörung wie Magersucht zeichnet den Körper. Betroffene sind extrem dünn, sehen sich selbst im Spiegel aber als übergewichtig. Wird diese Krankheit nicht behandelt, führt sie früher oder später zum Tod.

Ich habe keine Essstörung

Auch Marie merkte schnell, dass ihre Diät Erfolg hatte. Warum dann nicht auf das Frühstück verzichten? Das mag sie ohnehin nicht. Ihre Mahlzeiten bestanden nun nur noch aus einem Diätdrink zu Mittag und einem Salat zum Abendessen. Natürlich ohne fettige Öle, nur mit etwas Zitronensaft. Ihre Eltern bemerkten nichts von ihrer Essstörung, denn immerhin war Marie selten zu Hause. Doch bald stand sie vor einem Problem: die Geburtstagsfeier ihrer besten Freundin. Es wurde gegrillt, gegessen und getrunken. Zuerst hielt sich Marie zurück, aber dann überkam sie ein wahnsinniges Hungergefühl. Beinah unkontrolliert verschlang sie Unmengen an Fleisch, Brot, fettigen Saucen und Cola. Und dann kam das schlechte Gewissen.

So wie es Marie in dieser Situation ging, so fühlen sich tausende Menschen in Deutschland. Und für sie die einzige Lösung: das Essen schnell wieder loswerden. Bulimie ist eine ebenso gefährliche Essstörung wie die Magersucht, der einzige Unterschied: Menschen die an Bulimie erkrankt sind, sehen äußerlich meistens völlig normal aus. Oftmals sind sie gar nicht übermäßig schlank. Die Merkmale dieser Essstörung sind extreme Fressattacken und das anschließende Erbrechen. Viele Betroffene nehmen auch Abführmittel zu sich um das Gegessene schnell wieder los zu werden.

Das Essen kontrolliert Dich

Auch Marie wollte ihr schlechtes Gewissen wieder beruhigen und schlich sich auf die Toilette. Ihre Freunde bemerkten davon nichts. Erst ein Jahr nach dem Ausbruch ihrer Erkrankung wurden Freunde und Familie aufmerksam. Das damals so sportliche junge Mädchen glich einem lebindigen Skelett. Doch Marie selbst sah sich im Spiegel an und entdeckte immerzu neue Speckröllchen.

Eine Essstörung zu heilen bedarf in erster Linie die Erkenntnis der Betroffenen selbst. Fehlt sie, dann ist der letzte Weg die Zwangsernährung im Krankenhaus. Im Jahr 2010 wurden insgesamt 82 Todesfälle aufgrund einer Essstörung verzeichnet.

Marie sieht sich immer noch als dicken Menschen im Spiegel. Ihr Leben wird von der Gier nach Essen und einem schlechten Gewissen kontrolliert. Dass sie aber genau das Gegenteil ist, hat sie noch nicht erkannt. Aber sie hofft, dass ihr der Aufenthalt in einer Klinik helfen kann.