VON LISI WASMER
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26.07.2013 12:49
Fettnapf Tischmanieren – Benimmregeln im Ausland
Eigentlich hat man es als deutscher Tourist im Ausland ja ziemlich gut. Das verdanken wir dem allgemein vorherrschenden Stereotyp der dicken, bleichen (wahlweise auch sonnenverbrannten) Kartoffelnase mit Vokuhila, Tennissocken und Adiletten. Wer da als Deutscher ein bisschen auf sein Äußeres achtet und wem auch das Konzept Sonnencreme nicht gänzlich fremd ist, der kann kaum anders als positiv auffallen. Nur eine Stolperstelle gibt es: die Tischmanieren. Denn was bei uns als gutes Benehmen gilt, kann zum Beispiel in China ganz anders aufgefasst werden und umgekehrt – ganz zu schweigen von landesspezifischen „Sonderregeln“. Ein kleiner Auslandsknigge.
Bevor sich jemand ein falsches Bild macht: Es hat mir als Kind an nichts gefehlt. Ich sage das, damit kein falscher Eindruck entsteht, wenn ich erzähle, dass mir mein Bruder einmal im Streit ums Essen eine Kuchengabel in den Handrücken gerammt hat. Natürlich hätte ich mir einfach ein anderes Stück Kuchen abschneiden können. Das auf seinem Teller sah aber nun mal besonders gut aus. Warum ich das hier schreibe? Weil es so gut illustriert, worum es hier geht: Beim Essen hört der Spaß auf. Und das bezieht sich nicht nur auf Eigentumsansprüche hinsichtlich einer Erdbeertorte. Wer vermeiden möchte, unangenehm aufzufallen, sollte mehr beachten, als nur seinem Gegenüber nicht das Essen vom Teller zu stibitzen. Das gilt nicht zuletzt auch im Ausland.
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Denn was dem ein oder anderen im eigenen Land oft schon schwer genug fällt, wird im Ausland zu keiner leichteren Übung: Als Paradebeispiel für in unseren Augen befremdliche Tischsitten wird gerne und regelmäßig Asien herangezogen. Kein anderer Kontinent bietet dem gemeinen Deutschen mehr Möglichkeiten, sich benimmtechnisch in die Nesseln zu setzen. Die Tischmanieren machen hier keine Ausnahme. Dass man seine Stäbchen nicht in die Reisschale steckt, ist ja noch eine relativ einleuchtende Regel: Diese Geste wird mit dem Tod konnotiert. Andere Gepflogenheiten muten da schon eher eigentümlich an.
Dabei ist es im Grunde ganz einfach, sich richtig zu verhalten: Denke an alles, was Du von Deiner Mama über gutes Benehmen gelernt hast. Und vergiss es! Denn wer nicht schmatzt, dem schmeckt es nicht. Gräten und andere Essensreste werden auf den Teller oder den Tisch gespuckt, früher (und in einigen Provinzen Chinas auch heute noch) gab es einen eigens dafür bereitgestellten Spuckeimer. Und wer meint, er müsse seinen Teller leer essen, damit das Wetter auch am nächsten Tag wieder gut wird, sitzt ebenfalls schon ganz tief drin im Fettnapf: Ein leerer Teller bedeutet in den meisten asiatischen Ländern, dass man nicht satt geworden ist. Wer „Glück“ hat, bekommt einen Nachschlag. Wer Pech hat wird nicht nochmal eingeladen. Das gilt übrigens nicht für Korea, wo man einer zweiten Portion kaum auskommen kann. Und in Malaysia wird kleinen Kindern beigebracht, wer nicht aufisst, bringe den Reisgeist zum Weinen.
Vor der eigenen Haustür kehren
Wer glaubt, damit sei den asiatischen Benimmregeln genügend Rechnung getragen, der irrt. Irritierte Blicke treffen zum Beispiel auch jeden, der in Thailand mit der linken Hand isst. Nur die rechte Hand wird hier zum Mund geführt, mit der Linken verübt man, wenn man so will, „sanitäre Aufgaben“. Aber Toilettenmanieren sind ein anderes Thema. Auch in westlichen Ländern soll es ja Regeln geben, deren Sinnhaftigkeit auf den ersten Blick nicht unmittelbar einleuchten. In England sollte man die Laffe seines Esslöffels beispielsweise nie ganz in den Mund stecken. In Amerika und Skandinavien ist es üblich, den linken Arm beim Essen auf den Schoß zu legen anstatt auf den Tisch.
Vielleicht liegt das ja aber auch in der Natur der Tischmanieren – dass sie im Alltag von den meisten Leuten befolgt, jedoch fast nie hinterfragt werden. Nur ein Beispiel: Warum werden in
Deutschland alle Gerichte von links gereicht (es sei denn, es handle sich um eine Suppe!), Getränke aber von rechts? Nicht zu vergessen freilich all diejenigen Sitten, die der so gern zitierte Knigge bei Tisch ebenfalls vorsieht, von denen aber kaum jemand etwas weiß. Wer hätte etwa gedacht, dass es laut
Knigge unhöflich ist, seinen Tischnachbarn einen „Guten Appetit“ zu wünschen? Ebenso stillos ist es, gemeinsam anzustoßen. Der einzige Anlass, bei dem klirrende Gläser tatsächlich angebracht sind, ist Sylvester. Man sieht, um sich essenstechnisch zu blamieren, muss man nicht erst in ferne Länder reisen. Auch bei uns kann man vergnügt in den einen oder anderen Fettnapf hüpfen, ausreichend groteske Benimmregeln gäbe es genug. Na, Mahlzeit.