VON JANINA TOTZAUER | 26.09.2017 12:50

Green Light: Zwischen Kunst und Zynismus

Was man auf Anhieb sieht, sind einige dunkelhäutige, junge Menschen. Sie sitzen an einem schwedischen Designertisch, löten kleine Lämpchen aneinander, falten Papier zu Stäben. Über ihren Köpfen hängen die fertigen Designerlampen. Damit das Ganze als ökologisch wertvoll durchgeht, sind sie grün und natürlich aus alten Joghurtbechern. Um die Arbeiter steht ein Publikum aus Pelz tragenden, älteren Damen, Herren im Anzug und Touristen mit Selfie-Sticks. Alle weiß, kunstbegeistert und finanziell in der Lage sich einen Ausflug zur Biennale in Venedig zu leisten. Sie stehen im Kunstwerk des dänischen Künstlers Ólafur Elíasson.


Weltweit bekannt wurde Ólafur Elíasson durch sein „Weather Project“ 2003/04 in der Tate Modern in London. In einer Zeit, in der die meisten Großstadt-Menschen den Kontakt zur Natur beinahe verloren hatten, wollte Elíasson das letzte Natürliche, das wir jeden Tag zu spüren bekommen, versinnbildlichen. Er holte Sonne, Nebel und Regen in den Ausstellungsraum. Für den Betrachter war der umweltpolitische Ansatz klar erkennbar. Elíasson steht gern für sozial-kritische und politische Themen in der Kunst, füllt ganze Museen mit Erde, um die Kunstwelt selbst anzuklagen oder färbt Flüsse grün, um auf die Umweltverschmutzung aufmerksam zu machen. Elíasson zielt auf bestimmte Reaktionen des Publikums ab. Er nennt dies YES, Your Engagement Sequence; der Moment, in dem der Betrachter versteht, was Elíasson zu sagen hat.

Politische Kunst oder Sklavenhaus

Im Fall des Kunstwerks „Green Light“, Elíassons neuestem Streich auf der Biennale in Venedig, ist es zweifelhaft, ob der Zuschauer das richtige Bild vermittelt bekommt: Dunkelhäutige Arbeiter, die in Massenfertigung Lampen für den reichen Künstler produzieren. Einige Plasmabildschirme, die eben jene armen Seelen zeigen, wie sie auf Vaporettos durch Venedig geschifft werden und an sogenannten Workshops mit Sprachlehrern und Übersetzern teilnehmen. Der Ausstellungstext erklärt dem verwirrten Besucher, dass es sich hier um Flüchtlinge aus Nigeria, Gambia, Syrien, Irak, Somalia, Afghanistan und China handelt. In Interviews sieht man den Künstler, der sich in der Presse dafür rühmt, dass die Inneneinrichtung seines Sklavenhauses von einem italienischen Möbelhersteller gestaltet ist, noch bevor er betont, dass jeder Flüchtling freiwillig für ihn arbeitet. Man bilde eine konstruktive Gemeinschaft. Fraglich ist, wieviel ein gerade frisch geflüchteter Mensch daraus zieht, in einem künstlichen Umfeld, grüne Lampen herzustellen und dabei von reichen Weißen angestarrt zu werden. Zynisch wirkt die gesamte Kulisse, die wie ein Anschauungsobjekt auf der Pariser Kolonialausstellung 1931 wirkt. Lächerlich Elíassons Aussage, alle seien „Gleichberechtigte in einem großen Team.“ Er möchte das Bild eines Weltverbesserers vermitteln und scheitert kläglich. Fraglich bleibt, ob das Kunstwerk selbst oder die Reaktion der Kunstwelt, die Elíasson in den Himmel lobt, das schlimmere Übel ist?

Kreativwirtschaft und ihre Bedeutung in den Entwicklungsländern

Elíassons Werk ist nicht das einzige, das seine Inspiration aus der Flüchtlingskrise zieht. Es steht für viele, die sich des Themas annahmen; einige besser, andere schlechter. Oft fällt in diesem Zusammenhang das Wort „Betroffenheitskunst“. Es beschreibt Kunst von zumeist amerikanischen oder europäischen Künstlern, die sich veranlasst fühlen, ihren plötzlich aufkommenden Überschuss an Nächstenliebe und Empörtheit über diverse politische Krisen in ihrer Kunst zu verwursten. Sie wollen aufmerksam machen, die Leute zum Nachdenken inspirieren und schließlich ihr Werk für einen sechsstelligen Betrag verkaufen. Doch zu einfach wäre es, Betroffenheitskunst einfach als ausbeuterisch und naiv abzuhaken. Zu unreflektiert wäre es, in diesem Sinne dem südafrikanischen Künstler William Kentridge schlichtweg zu untersagen, Kurzfilme über die Gräuel der Apartheid zu drehen, weil er als Weißer kein Recht dazu hat. Zu unüberlegt, jedem europäischen Künstler zu verbieten, sich der Probleme der dritten Welt anzunehmen. Und zu einfach wäre es auch in Venedig, Ólafur Elíasson sein pures Wohlwollen abzusprechen. Es schwant, dass all diese westliche, plump-naive Betroffenheitskunst irgendwo Gutes will, doch nur an der Oberfläche kratzt. Denn wie könnte ein gut situierter, dänischer Künstler mit Haus, Frau und Kindern, dem es in seinem Leben noch nie an etwas Grundlegendem fehlte, überhaupt wissen, wie man unter die Oberfläche gelangt? Wie könnte er das Übel der Welt verstehen, wenn er es noch nie gespürt hat? Und wie kann ich mir als ebenso weiße Europäerin anmaßen, andere für ihr Unverständnis anzuklagen?

Bild: "Green light d'Ólafur Elíasson". © Jean-Pierre Dalbéra - flickr.com. Von UNI.DE zugeschnitten und mit ©-Hinweis versehen.
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