Natürlich war es abzusehen, dass das 1988 von der Publizistin Lea Rosh angeregte Projekt „Holocaust-Mahnmal“, einige Diskussionen auslösen würde. Diese reichten nicht nur von der Standortfrage mitten in Berlin, über die Debatte, warum allen anderen Opfern des deutschen Nationalsozialismus nicht gleichermaßen gedacht werden sollte, bis hin zu dem Standpunkt, ob einem gewaltigen Verbrechen wie dem Holocaust überhaupt in angemessener Weise künstlerisch begegnet werden kann. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die letztlich an der Ausschreibung teilnehmenden Entwürfe und insbesondere die am Ende verwirklichte Idee Peter Eisenmans, erheblicher Kritik ausgesetzt waren.
Es werde auf elegante Weise ein Schlussstrich unter die Aufarbeitung des Nationalsozialismus gezogen. Oder, es werde lediglich die Motivgeschichte des Grabsteins fortgeschrieben, das ganze Areal imitiere einen Friedhof. Oder nur ein wogendes Kornfeld? Das Mahnmal liefere überhaupt zu wenig Information und der Besucher werde allein gelassen. Nicht zuletzt deshalb wurde übrigens auch – entgegen der ursprünglichen Idee Eisenmans – unter das Gelände des Mahnmals der „Ort der Information“ eingebaut, eben um Dimension und Geschichte des Holocausts zu vermitteln, auch an Menschen, die dazu keine oder nur wenig Kenntnisse mitbringen.
Einsenmans Einstellung dazu ist eine andere: „Man kann Menschen nicht zwingen, etwas zu verstehen“. Eventuell ging es ihm gar nicht alleine darum, den Opfern des Holocausts Würdigung zu verschaffen oder die Erinnerung daran zu wach zu halten, sondern auch darum, ein abstraktes Lernen aus dieser Erinnerung zu ermöglichen und darzustellen - einer Erinnerung die in seinen Worten „kein Ziel, kein Ende, keinen Weg hinein oder hinaus“ habe.
Wie fühlt sie sich denn an, die Begegnung mit diesem Kunstwerk? Die äußersten Quader sind als solche fast nicht sichtbar. Das Denkmalsgelände beginnt schon auf dem Gehweg und die Quader sind nur als ein wenig anders ausgerichtete Platten darin erkennbar, eingebettet in eine Unzahl kleiner Pflastersteine. Alsbald, immer weiter hinein, kann man aber schon stolpern, sofern Wege und Bewegungen nicht den immer weiter aus dem Boden ragenden Steinen angepasst werden. Da setzen sich dann hie und da noch Menschen darauf und denken vielleicht darüber nach, wie das Ganze weitergehen soll – zunehmend versinkt man aber in der Übermacht und Übermäßigkeit der Steine, bzw. umgekehrt: Die Wege führen immer weiter hinab und es bleibt keine Chance mehr: Der Überblick geht im wahrsten Sinne des Wortes verloren.
Auch Einsamkeit ist zu spüren: Die Breite der Wege erlaubt es nicht, nebeneinander zu gehen. Je tiefer man in das Mahnmal tritt, desto mehr erstirbt auch das Leben darum herum, die Geräusche der Stadt sind nicht mehr zu hören und nur durch Zufall, an den Wegkreuzungen, treffen Menschen aufeinander - mit ihren unterschiedlichen Reaktionen darauf, sich ausgerechnet hier zu begegnen.