VON C.V.A.
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07.05.2013 17:59
EU-Saatgut Verordnung - eine Bedrohung für die Artenvielfalt?
Landwirte und Gartenbaubetriebe dürfen in Zukunft nur noch Einheitssaatgut verwenden. So zumindest stellt sich die europäische Kommission das vor. Am 6. Mai wurde nun das Gesetzespaket in Brüssel vorgestellt. Aber wie streng ist die Regelung wirklich? Was bedeutet das für Hobbygärtner und die biologische Vielfalt der Gemüse- und Obstsorten?
Die europäische Regelung für Saatgut besteht mittlerweile seit 40 Jahren. Nun will die europäische Kommission mit einer Agrarreform die Benutzung von Saatgut neu regulieren. EU-Verbraucher-Kommissar Tonio Borg hat bereits Teile des Gesetzespaketes vorgeschlagen, denen das Europaparlament und die EU-Staaten noch zustimmen müssen. Ziel ist es die Saatgutverordnung einheitlicher zu gestalten. Doch dieser Trend könnte zur Abhängigkeit der Bauern und der Konsumenten von den großen Saatgutkonzernen führen.
Einschränkung der biologischen Vielfalt
Biodiversität – wichtiger denn je
Jeden Tag sterben rund 150 Tier- und Pflanzenarten. Grund dafür ist die stetig steigende Kommerzialisierung und die Machtgier der Großkonzerne
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Ein Aufschrei ging durch die Bevölkerung als die Vermutung laut wurde, Hobbygärtner dürften ihr Saatgut in Zukunft weder einfach so anbauen noch weiter verschenken. Umweltschützer befürchteten eine starke Einschränkung der Artenvielfalt. Die Folge wäre, dass viele seltene Gemüse- und Getreidesorten weniger angebaut werden oder sogar ganz
verschwinden könnten. Die Artenvielfalt wäre bedroht. Durch die Einschränkung der Artenvielfalt, wären dann auch die Konsumenten betroffen, denen letztendlich vorgeschrieben wird, welche Sorten sie kaufen können und welche nicht. Der Präsident des deutschen Naturschutzrings Hartmut Vogtmann sah die Artenvielfalt der Landwirtschaft durch die Regulierungspläne ebenfalls
bedroht. Das Monopol der Großkonzerne würde den lokalen Märkten langfristig
schaden. Die Saatgut-Goßkonzerne wollen durch die Pflanzenpatente unabhängige Pflanzenzüchter vom Markt vertreiben. Viele Umweltverbände befürchten sogar die Entstehung eines
Saatgut-Kartells, das von den Marktführern Monsanto, Dupont und Syngenta kontrolliert wird. Sie forderten, dass seltene traditionelle Sorten von den Zulassungspflichten
befreit bleiben sollen, damit die biologische Vielfalt geschützt bleiben kann. Agrar- und Verbraucherministerin Ilse
Aigner sträubte sich gegen die angekündigte Regelung, da sie es für unangebracht hielt von Privatgärtnern eine amtliche Zulassung für bestimmte Samenkörner zu verlangen. Der bürokratische Aufwand würde
steigen und die
Pflanzenpatente könnten zu einer Hürde werden, die letztendlich der Monopolstellung großer Konzerne dienen würde. Eine
Entbürokratisierung des Marktzuganges wäre an dieser Stelle eher angebracht, sagt Aigner.
In einer offiziellen
Erklärung stellte die europäische Kommission jedoch klar, dass die neue Regelung nur für den professionellen Handel gelten soll. Aktuelle Medienberichte, die in der Regelung eine Einschränkung für Privatgärtner gesehen haben, wies die Kommission zurück. Für Kleinstunternehmen sollen die Kosten und der bürokratische Aufwand gering bleiben und für alte Sorten sollen angeblich
flexiblere Regeln gelten. Tests für die Zulassung gewisser Sorten seien auch nicht vorgesehen. Konsumenten jedoch beziehen ihre Lebensmittel zum größten Teil von
kommerziellen Großerzeugern. Somit würde die Artenvielfalt durch die Gleichschaltung des Saatgutes für Großkonzerne letztendlich doch betroffen sein.
Erfolgreiche Proteste
Die monatelangen Proteste gegen die geplante Saatgut-Verordnung haben dann auch Wirkung gezeigt: Mehrfach wurde ein
Artikel der Deutschen Wirtschafts Nachrichten über Facebook geteilt. Der Druck der Öffentlichkeit führte dazu, dass sich das Bundeswirtschaftsministerium sowie auch die EU-Kommission nochmals mit ihren Plänen auseinandersetzten. Der Verwaltungsaufwand für Nischensorten soll nun
gesenkt werden und auch für Hobbygärtner soll es keine Einschränkungen geben.
Kleine Züchter mit einem Jahresumsatz bis 2 Millionen Euro und bis zu 10 Mitarbeitern müssen ihr Saatgut auch nicht registrieren lassen. Borg betont, dass frühere Entwürfe der Regelung strenger waren. Ziel des Vorschlags ist es die bisherigen Gesetzestexte zu vereinfachen. Mikrounternehmen seien aber von den Auflagen befreit, die mit hohem Aufwand und Kosten verbunden seien. Ganz
ausdrücklich ausgenommen von dieser Regelung ist auch der Gebrauch von Saatgut zu privaten Zwecken, betont Borg.
Kritik an der Regelung
Der Verband Kulturpflanzen und Nutztiervielfalt kritisiert jedoch auch die neuen Vorschläge der europäischen Kommission. Die Zulassungsbedingungen für seltenes Saatgut seien immer noch zu hoch. Die zunehmende Kontrolle der Großkonzerne über die Saatgutpatente führe dazu, dass der Anteil der eigenen Sorten von Bauern immer mehr zurück geht, was wiederum Auswirkungen auf die biologische Vielfalt der Pflanzen habe. Ilse Aigner jedoch zeigt sich erfreut darüber, dass die Kommission die Positionen aus Deutschland berücksichtig hat und sieht den überarbeiteten Gesetzesvorschlag als „
gutes Signal“.
Trotz der nun gelockerten Regelung ist Vorsicht geboten. Der Gesetzesentwurf wird vermutlich erst 2016 in Kraft treten und ist bis dahin nicht vor Änderungen gefeit. Besonders die Lobby der Agrarindustrie wird versuchen die Regelung zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Deutsche Wirtschafts Nachrichten warnt davor, dass sich die freie Regelung für Hobbygärtner auch als
Marketing-Gag erweisen könnte, um die Bürger zufrieden zu stellen und letzen Endes doch der Lobby in die Hände zu spielen. Wie die Regelung dann letztendlich aussehen wird bleibt abzuwarten. Eine Bedrohung der Artenvielfalt kann aber noch nicht ausgeschlossen werden.