VON JULIA ZETZ | 19.03.2014 15:01

Du musst funktionieren

Jedes Jahr bekommen die Deutschen eine Art Gesundheitszeugnis ausgestellt. Nicht etwa von ihrem Arzt, sondern von der Techniker Krankenkasse (TK). Die Diagnose für das Jahr 2013 hieß: Erkältungen ohne Ende. Laut der TK-Studie ließen wir uns im vergangen Jahr im Durchschnitt knapp 15 Tage krankschreiben. Die Grundlage für diese Daten sind vier Millionen Versicherte, dazu zählen Arbeitnehmer und Empfänger von Arbeitslosengeld II. Nicht nur, dass wir zunehmend mehr krank werden, wir schaden damit auch der Wirtschaft. Schätzungen zufolge haben wir im Jahr 2012 damit einen Schaden von 53 Milliarden Euro angerichtet. Nun müssen wir uns aber doch zwangsläufig die Frage stellen, warum wir zunehmend mehr krank werden? Was stresst uns derart, dass unser Immunsystem nicht mit ein paar harmlosen Erkältungsbakterien umgehen kann?


Johanna ist seit zwei Jahren mit ihrem Studium fertig. Betriebswirtschaft hat sie studiert und das recht erfolgreich. Ihre Noten waren ausgezeichnet, kein Wunder, denn Johanna hat sich wirklich bemüht. Wenig Partys, kaum Urlaub, dafür viel Lernen und in der Uni immer gut aufpassen. Der Aufwand hat sich gelohnt, Johanna hat als eine der Besten in ihrem Jahrgang abgeschlossen und sofort einen Job in einer renommierten Eventagentur bekommen. Als Volontärin verdient sie zwar wenig Geld, dafür darf sie viel lernen. Und je länger sie im Büro ist, desto mehr lernt sie, sagt ihr Chef. Deshalb ist Johanna immer als erste im Büro, schließlich muss es gelernt sein, den Kaffee richtig zu kochen. Um zehn Uhr geht es schon los, Johanna muss diverse Konferenzräume vor- und nachbereiten, Termine koordinieren, Pakete von der Post holen und ihr Kollegen bei der täglichen Arbeit unterstützen. Um acht Uhr abends ist die ganze Büroarbeit getan. Aber weil Johanna unbedingt noch mehr lernen soll, ist sie bei nahezu jedem Event, das die Agentur organisiert, Assistentin. Natürlich ist Johanna auch hier die erste die kommt und die letzte die geht. Gegen ein Uhr nachts ist ihr Arbeitstag dann vorbei.

Survival of the fittest?

Dem Burnout nah?

Johannas Arbeitstag ist vielleicht ein extremes Beispiel, aber nicht unbedingt aus der Luft gegriffen. Viele Arbeitnehmer müssen im Job Höchstleistungen bringen, denn der Druck ist groß, die Konkurrenz unter den Kollegen auch. Jeder will und muss der Beste sein, sonst ist er seinen Job schnell los. Es wird morgens früher angefangen und abends länger gearbeitet. Praktischerweise stellen kluge Chefs ihren Angestellten Laptops zur Verfügung, so können die fleißigen Bienchen auch zu Hause und am Wochenende noch weiter arbeiten.

Dass dieser Stress zwangsläufig zu schweren Erkrankungen führt, weiß auch Hans-Joachim Thimm, Psychiater und Oberarzt an der Dortmunder Spezialklinik des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL): „Der Krankenstand in den Firmen ist wegen psychischer Erkrankungen exorbitant hoch geworden, so dass die Firmen darauf reagieren müssen. Auch die Krankenkassen tun das. Da gehen die Kosten richtig in die Höhe“.

Dass Herr Thimm das Problem erkannt hat, hilft Johanna recht wenig, denn weil sie als Volontärin derart wenig verdient, dass sie ihre Miete nicht bezahlen kann, muss sie am Wochenende in einer Bar arbeiten. Die ganze Arbeit hat einen großen Vorteil für Johanna: Sie hat eigentlich keine Zeit sich über ihre Gesundheit Gedanken zu machen. Das kann sie ja dann tun, wenn sie mit dem ersten Burnout im Krankenhaus liegt.