VON SUSANNE BREM
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04.08.2016 09:32
DoSV und AntOn: Systeme zur (de)zentralen Studienplatzvergabe in der Kritik
Das „dialogorientierte Serviceverfahren“ (DoSV) und der „Antrag Online“ (AntON, für Studiengänge mit bundesweitem NC) des Studien-Bewerbungsportals hochschulstart.de stehen – wieder einmal – in der Kritik. Das gesetzte Ziel, begehrte und beschränkt verfügbare Studienplätze im deutschen Raum nicht nur fair, sondern auch restlos zu vergeben, ist bis heute unerreicht; und das trotz bereits sechsjähriger Laufzeit des Portals unter dem Schirm der Stiftung für Hochschulzulassung. Stattdessen beklagen Hochschulen und Studieninteressierte weiter regelmäßig Probleme: unbesetzte Plätze in eigentlich begehrten Studiengängen, zeitliche Planungsschwierigkeiten, allgemein zu hoher Aufwand. Wie funktionell und nützlich sind DoSV und AntOn wirklich?
11.500 von 252.000 verfügbaren Bachelor-Studienplätzen sind im vergangenen Wintersemester in Deutschland unbesetzt geblieben. An Bewerbungen und Interessierten hat es nicht gemangelt – der Knackpunkt war, wie auch schon die Jahre zuvor, das Vergabesystem. Es gibt dabei zwei unterschiedliche Methoden für zulassungsbeschränkte Fächer: Die Platzvergabe für Pharmazie, Human-, Zahn- und Tiermedizin wird zentral von der Stiftung für Hochschulzulassung geregelt (über das System AntOn). Für andere regulierte Studiengänge behalten es sich einige Hochschulen aber vor, die Platzvergabe nicht bundesweit über die Stiftung regeln zu lassen, sondern weiter dezentral hochschuleigene Verfahren und Methoden anzuwenden (wie gesonderte Eignungsfeststellungsverfahren). Dabei wurde hierfür eigens das dialogorientierte Serviceverfahren entwickelt. Die national verfügbaren Plätze für ein Fach sollen ausnahmslos gelistet sein, damit alle Bewerbungen in einem Datenabgleich effektiv bearbeitet und Studienplätze effektiv und nach einheitlichen Faktoren vermittelt werden können – sodass niemand unnötig leer ausgeht, nur weil systemgeschuldet unbeanspruchte Stellen offen geblieben sind.
Studienplatztausch
In vielen Fällen ist das kein Problem, weil es an eurer Wunschuni durchaus jemanden geben kann, dem es ähnlich geht. Die naheliegende Lösung: Die Studienplätze tauschen. Wie das geht und was es dabei zu beachten gilt
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Für viele Mittel zum Zweck: Mehrfachbewerbungen
Denn um die eigenen Chancen auf einen Platz im angestrebten Studienfach zu erhöhen, bewerben sich viele junge Menschen
auf mehrere Fächer und an mehreren Universitäten: einmal über die Plattform hochschulstart.de zur zentralen Vergabe und ein zweites Mal (oder dann noch häufiger) auf örtlich begrenzte Fächer direkt bei den betreffenden Universitäten. Im Fall mehrerer Zusagen entscheidet man sich für seinen Favoriten, die anderen angebotenen Plätze könnten dann an andere weitergegeben werden. Nicht nur aber sagen viele den Alternativen nicht mehr ab, was eine Übersicht über tatsächlich vergebene und noch offene Stellen erschwert; ebenso ist die Zahl derer unbekannt, die tatsächlich noch warten oder sich doch schon für ein anderes Fach entschieden haben. Aber auch wenn doch die Absage mitgeteilt wird: Es mündet in starkem Mehraufwand wegen dann notwendigen Nachrückverfahren, um bekannte Restplätze doch noch zu vergeben. Auch zieht dieses System zeitliche Verzögerung für die noch Wartenden nach sich, die sie in Unsicherheit und einige auch mit dünnem Nervenkostüm zurücklässt. Beinahe jeder dürfte schon von verzweifelten Medizininteressierten gehört haben, die auf das Losverfahren für die Restplätze hoffen oder für einen Nachrückposten beten – selbst zwei Wochen nach Vorlesungsbeginn noch, überstürztem Umzug und überforderndem Studienbeginn inklusive.
Alle deutschen Hochschulen müssten teilnehmen
Die Paradoxie, dass einerseits zu viele Bewerbungen auf zu wenig verfügbare Studienplätze kommen und andererseits in genau diesen Fächern dennoch Plätze unbesetzt bleiben, nennen die Vorsitzenden der Kultusministerkonferenz „nicht zufriedenstellend“. Das Problem sei, dass zu wenige der staatlichen Hochschulen (nur 100 von 180 deutschlandweit) ihre Plätze für örtlich beschränkte Bachelor-Fächer für das DoSV haben eintragen lassen. Denn so bleibt ein zentrales Erfassen aller verfügbaren Mittel aus, ebenso kann kein einheitliches Vergabesystem greifen, Mehrfachbewerbungen nicht verhindert werden, eine rechtzeitige Zu- und Absage für jede Bewerbung nicht garantiert werden. Dabei hat das eine große Bedeutung für die weitere Planung der Wartenden: Muss ich mich um eine Wohnung und einen Umzug kümmern? Was mache ich, wenn ich mein Wunschstudium nicht beginnen kann? Soll ich warten? Soll ich ins Ausland gehen? Doch eine Lehrstelle suchen?
Die Problemstellen und Planungsunsicherheiten, die das DoSV mit sich bringt, wären demnach auszumerzen, wenn sich die Hochschulen landesweit zur Teilnahme entschließen würden. Die Platzvergabekriterien könnten nach einheitlichen Maßstäben gestaltet, die Bewerbungen und die Auslastung der Unis würden transparenter werden. Das ist auch der
Wunsch des Bundesbildungsministeriums. Bisher ist die Beteiligung der Universitäten durchwachsen: Bremen und Thüringen gehen zwar mit 100 Prozent Mitwirkung beispielhaft voran; Sachsen, Bayern und NRW folgen mit immerhin 55 Prozent. In Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern ist allerdings jeweils nur eine einzige Hochschule involviert. Die Linken möchten deshalb ein Gesetz zur „besseren zentralen Steuerung des Verfahrens“ durchboxen. Das dürfte allerdings schwierig werden: Zu einem solchen Schritt sieht das Bundesbildungsministerium nicht die Notwendigkeit.