VON CLEMENS POKORNY | 01.04.2016 10:49

Die Regelstudienzeit – fall' nicht durch's Raster!?

Es gibt viele Gründe dafür, wenn das Studium länger dauert als von der Studienordnung oder auch der eigenen Lebensplanung vorgesehen. Die Umstellung der Studiengänge auf Bachelor und Master an vielen Universitäten in Deutschland hat zu mehr Druck auf die Studierenden geführt, weil ihnen stärker als früher die Regelstudienzeit zu schaffen macht. Auf dem Arbeitsmarkt sind Studienverzögerungen kein Problem, solange man nicht einfach nur gebummelt hat.

„Nur Chuck Norris schafft den Bachelor in der Regelstudienzeit“. Studentenvertretungen vor allem aus dem linken politischen Spektrum machen mit diesem bitteren Witz auf ein Thema aufmerksam, das sie und viele andere an der Uni bewegt. Es gibt diverse Gründe dafür, dass sich der Hochschulabschluss verzögert: Ein Kind oder anderer Angehöriger ist zu betreuen, das Studium kann nur mit Arbeit finanziert werden, ehrenamtliche Tätigkeiten kommen hinzu, man wird länger krank oder schafft im Auslandsjahr weniger als erhofft. Weniger Zeit für's Studium bedeutet mehr Semester bis zum Abschluss. Nicht alle, die länger brauchen, haben also diese Verzögerung durch Müßiggang unnötig herbeigeführt. Aber nicht wenige Studierende kommen wegen der sogenannten Regelstudienzeit ins Schwitzen.

Dabei soll diese eigentlich das Gegenteil bewirken: Sicherheit schaffen, nämlich dafür, dass das Studium auch abgeschlossen werden darf. Das wird relevant, wenn ein Studiengang an einer Hochschule eingestellt wird. Die noch dafür Immatrikulierten haben dann mindestens bis zum Ende ihrer Regelstudienzeit die Möglichkeit zum Studienabschluss. Dabei wird unter „Regelstudienzeit“ diejenige Frist verstanden, innerhalb derer man ein bestimmtes Vollzeitstudium bei zügigem Belegen und Bestehen der nötigen Veranstaltungen in der sachlogischen Reihenfolge erfolgreich beenden kann. Sie differiert nach Studiengängen und Abschlussarten – die meisten Bachelorstudiengänge sollten in sechs, Masterstudien dagegen in zwei vier vier Semestern absolviert werden.

Promovieren – Sinnvoll oder nicht?

Diesen Fristen entspricht allerdings die Zeit, während derer man BAföG oder ein Stipendium in Anspruch nehmen kann. Eine Verlängerung darüber hinaus ist nur in sehr engen Grenzen möglich, beispielsweise bei nachweislicher Studienverzögerung durch Krankheit, Betreuung eines eigenen Kindes oder Pflege von Angehörigen. Solche Ausnahmefälle dürften keinesfalls die 60% der Studenten abbilden, die länger brauchen als die Regelstudienzeit. Dabei haben heutzutage die wenigsten Uni-Absolventen während ihres Studiums gebummelt – da sind sich alle Beobachter einig. Trotzdem droht ihnen an einigen Universitäten die Zwangsexmatrikulation, also der Rausschmiss, wenn sie ein Jahr nach Ende der Regelstudienzeit den Abschluss immer noch nicht in der Tasche haben und dafür keine nachvollziehbare Begründung angeben können. An die Regelstudienzeit wird nämlich gerne die Höchststudienzeit gekoppelt, mit der festgelegt wird, wie lange man längstens in einen Studiengang eingeschrieben sein darf.

Ganz so willkürlich, wie in mancher Kritik behauptet, sind diese Fristen nicht. Sie orientieren sich an dem, was immerhin 40% der Studenten tatsächlich schaffen (und einige mehr schaffen könnten), weil es bei voller Konzentration auf das Studium und Genügen der durchschnittlichen persönlichen Anforderungen möglich wäre. Sie sorgen dafür, dass niemand einen in Deutschland im Wesentlichen von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern bezahlten Studienplatz länger blockiert als nötig, während andere darauf warten müssen. Und sie geben Orientierung, welche Studiendauer gerade in Massenstudiengängen auf dem Arbeitsmarkt erwartet wird. Wer sich nämlich bis zum Abschluss allzu viel Zeit gelassen hat, wird danach bisweilen von potentiellen Arbeitgebern gar nicht erst zum Vorstellungsgespräch eingeladen.

Doch solange die Jungakademiker begründen können, warum es länger gedauert hat, brauchen sie sich nicht vor Nachteilen beim Einstieg in den Arbeitsmarkt zu fürchten. Drei von der Wochenzeitung „Zeit“ befragte Führungskräfte aus den Personalabteilungen großer Unternehmen betonen unisono: Praxiserfahrung und persönliche Reife sind meist wichtiger als die Einhaltung der Regelstudienzeit. Die Verkürzung der Gymnasialzeit auf acht Jahre und die Aufteilung der alten Diplom- und Magisterstudiengänge in Bachelor und Master, die einen angeblich berufsqualifizierenden Hochschulabschluss schon nach drei Jahren ermöglichen, hat dafür gesorgt, dass Absolventen schon mit Anfang zwanzig und mit immer ähnlicheren, schnurgeraden Lebenswegen und kaum voneinander abweichenden Noten sich auf dem Arbeitsmarkt tummeln. Da hebt man sich positiv von der Masse ab, wenn man mehr und längere Praktika gemacht hat als von der Studienordnung vorgeschrieben, wenn man echte Auslandserfahrung und frische Sprachkenntnisse mitbringt und wenn man in Nebenjobs oder anderweitig Lebenserfahrung gesammelt hat.

Insofern braucht sich niemand Sorgen zu machen, wenn das Studium aus guten Gründen länger dauert als eigentlich vorgesehen. Trotzdem sollte das Studium selbstredend sorgfältig geplant und sein Verlauf regelmäßig reflektiert werden – unter Berücksichtigung auch der Regelstudienzeit. Denn schließlich ist Studieren kein Selbstzweck, sondern dient der Befähigung zu anspruchsvollen Tätigkeiten, nicht nur in der Wissenschaft.