VON SINEM S.
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02.07.2013 14:31
Studieren trotz chronischer Krankheit
Studieren ist nicht leicht, schon gar nicht, wenn man auch noch mit einer Form der Behinderung oder chronischer Krankheit zu kämpfen hat. Viele Studierende müssen somit einen etwas anderen Alltag meistern als ihre Kommilitonen, was aber gar nicht auf Anhieb zu erkennen ist. Im Studiengetümmel haben sie oftmals Schwierigkeiten, sich jemandem anzuvertrauen, oder den Dozenten ihre Lage zu schildern. Doch ein Nachteilsausgleich stünde ihnen zu, gerade wenn es um Prüfungen und Fristen geht.
Medien schildern sie als die neue „Volkskrankheit“: Depression, Burnout. Sie sind aber nur ein Bruchteil dessen, was an Störungen heutzutage auftreten kann. Vielfältig und individuell sind ihre Erscheinungsformen, oftmals haben die Betroffenen ein Krankheitsbild, das sich nicht einfach mit einem Wort benennen lässt. Schwierig kann sich da ein Alltag gestalten, der gesunden Menschen schon sehr stressig erscheinen mag: das Studium. Gerade zu Beginn des Studiums fühlt man sich unsicher und etwas verloren, droht in der großen Masse an Studenten unterzugehen. Wie schwierig mag es einem da erst erscheinen, wenn man auch eine Krankheit hat, die einem vielleicht unangenehm sein kann. Psychische Störungen sind nicht so gewöhnlich, als dass man sie gerne vor sich herträgt. Wer unter ihnen leidet, hat auch noch damit zu kämpfen, dass sie oftmals nicht anerkannt oder sogar als Hirngespinst belächelt werden. Betroffene trauen sich erst gar nicht, offen damit umzugehen.
Wer unter Depressionen leidet, hat Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen, ist antriebslos und unfähig, Freude zu empfinden, Ängste und zwanghaftes Gedankenkreisen machen einen strukturierten und disziplinierten Tagesablauf unmöglich, dabei sind es gerade diese Eigenschaften, die über einen Studienerfolg entscheiden. Oftmals werden Prüfungen versäumt oder aufgeschoben, den Betroffenen fällt es schwer, selbstorganisiert Seminararbeiten pünktlich abzugeben. Bei den Dozenten und Kommilitonen kann dann der Eindruck entstehen, der Student gebe sich keine Mühe.
Interview mit der Behindertenbeauftragten des Karlsruher Instituts für Technologie
„Chancengleichheit besteht nicht darin, dass jeder einen Apfel pflücken darf, sondern, dass der Zwerg eine Leiter bekommt“
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Manche Universitäten bieten Beratungsstellen für psychosoziale Angelegenheiten an, dennoch fehlt die öffentliche Anerkennung psychischer Erkrankungen im Studienbetrieb. Das
Deutsche Studentenwerk (DWS) bemüht sich, diesen Studenten mehr unter die Arme zu greifen, indem sie auch mal zwischen Dozenten und Studenten vermittelnd tätig wird. Mehr als 15.000 Studierende aus 150 Hochschulen nahmen 2011 an einer
Online-Befragung des Deutschen Studentenwerks zum Thema Studieren mit Behinderung teil. Nach Selbsteinschätzung der teilnehmenden Studierenden wirken sich für 45% von ihnen, psychische Beeinträchtigungen am stärksten auf das Studium aus, für 20% chronisch-somatische Erkrankungen (z.B. Allergien, Rheuma, Tumorerkrankungen), für 6% Teilleistungsstörungen (z.B. Legasthenie), für 5% Sehbeeinträchtigungen, für 4% Bewegungsbeeinträchtigungen und für 3% Hör-/ Sprechbeeinträchtigungen. Für 13% der befragten Studierenden wirken sich mehrere Beeinträchtigungen gleich stark auf das Studium aus. Besonders wichtig ist hierbei, dass diesen Studierenden ein gewisser
Nachteilsausgleich geschaffen wird, damit auch sie in ihrem Studienerfolg nicht gefährdet sind. Eine Übersicht zum
barrierefreien Studium im Ausland gibt das Deutsche Studentenwerk ebenfalls heraus. Allerdings hilft kein Nachteilsausgleich, wenn der Betroffene nicht zugibt, dass er Schwierigkeiten hat. 44% der erkrankten Studierenden möchten nicht zugeben, dass sie beeinträchtigt sind. In 94% der Fälle sind die Leiden für Dritte nicht auf Anhieb erkennbar.