VON MAXIMILIAN REICHLIN | 22.01.2015 11:49

Deutsche Flüchtlingspolitik – Hilfe für Flüchtlinge oder Abschreckung der Bewerber?

Geht es um die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung sind die Meinung gespalten: Während die UN Deutschland noch im September letzten Jahres ein vorbildliches Vorgehen bescheinigte, warnen Politiker vor steigenden Flüchtlingszahlen und „zu vollen Booten.“ Wieder andere halten Deutschlands Beitrag zur Problematik immer noch für zu gering. Über die Methoden und Möglichkeiten der deutschen Flüchtlingspolitik.


Voraussichtlich 230.000 Flüchtlinge, vor allem aus Krisen- und Kriegsgebieten in Afrika und dem Nahen Osten, werden in diesem Jahr in Deutschland erwartet. Bund und Länder sind allerdings bereits jetzt mit der Situation überfordert: Krisengespräche und improvisierte Unterbringungsmöglichkeiten prägen aktuell das Bild der deutschen Flüchtlingspolitik. Während in Berlin noch über die Errichtung von Containerdörfern diskutiert wurde, hatte man in München bereits erste Flüchtlingsheime geschlossen und die Menschen in Zelten untergebracht. Und das im kalten Oktober. Nicht ganz zu unrecht sprach Oberbürgermeister Reiter von „menschenunwürdigen Bedingungen.“ Zwei Mal traten deswegen die Münchener Flüchtlinge im vergangen Jahr in den Hungerstreik, um für eine bessere Unterbringung und ein schnelleres Verfahren zu kämpfen.

Conflict Kitchen

Bayerns Innenminister Joachim Hermann betonte noch im August, dass Bayern langsam an die Grenzen der Kapazitäten stoße. Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière hält die Zahl der ankommenden Flüchtlinge für „überdurchschnittlich.“ Wie aus veröffentlichten Zahlen der Statistikbehörde Eurostat hervorgeht, war Deutschland im Jahr 2014 tatsächlich Spitzenreiter bei der Aufnahme von Flüchtlingen, gefolgt von Frankreich. Knapp 36.000 Asylanträge waren in diesem Jahr beim Bund eingegangen – und das nur innerhalb des ersten Quartals. De Maizière forderte deswegen zusammen mit seinem französischen Kollegen Bernard Cazeneuve eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge auf die einzelnen EU-Staaten. Zu Unrecht, finden manche Kritiker: Setzt man die Anzahl der Asylsuchenden in Relation zur Einwohnerzahl, liegt Deutschland mit 460 Anträgen pro eine Million Einwohner nur im unteren Mittelfeld – weit hinter dem Spitzenreiter Schweden mit 1.000 Bewerbern.

Ludwig Greven, Politikredakteur der ZEIT, glaubt auch nicht, dass sich durch ein bindendes Verteilungssystem Probleme lösen lassen. „Viele wollen in das wirtschaftlich stärkste Land Europas, durch Quoten werden sie sich davon kaum abhalten lassen,“ schrieb er in einem Kommentar zum Thema. Er fordert, wie viele Kritiker, ein transparentes und geregeltes Asylverfahren. Flüchtlinge sollen erfasst und dann so schnell wie möglich integriert werden, etwa, indem man ihnen Sprachkurse und Arbeitsplätze zur Verfügung stellt, anstatt sie „über Jahre in einem rechtlichen Schwebezustand zu belassen und sie in Massenunterkünften unterzubringen und zu versorgen.“

In der Politik fühlt sich, wenn es um ankommende Flüchtlinge geht, in Deutschland „keiner so richtig zuständig,“ wie die ZEIT schrieb. Zwar gibt es das „Bundesamt für Migration und Flüchtlinge“ (Bamf), doch dieses entscheidet lediglich über die Aufnahmegesuche, deren Zahl sich im Oktober 2014 auf geschätzt 120.000 belief. Oft wird anschließend länger als ein Jahr über einen Asylantrag entschieden, die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge wird dann an die jeweiligen Bundesländer deligiert, diese leiten die Aufgabe wiederum an die Kommunen weiter, denen allerdings in weiten Teilen die Mittel fehlen. Joachim Hermann hält dieses System für intransparent und wünscht sich deswegen nicht nur eine Aufstockung des Personals des Bamf sondern auch eine Verkürzung der Bearbeitungszeit von Asylanträgen auf maximal drei Monate.

Neben so viel Kritik gab es zuletzt allerdings auch Lob für die deutsche Flüchtlingspolitik. UN-Flüchtlingskommissar Antonio Guterres bezeichnete noch im September 2014 die deutsche Politik als „vorbildlich“ und als „positives Beispiel, dem andere europäische Staaten folgen können.“ Angesichts der nicht unproblematischen Situation, die von den Kritikern und den deutschen Innenministern angeprangert wird, muss man sich allerdings die Frage stellen, ob und wie lange Deutschland diese Vorbildfunktion überhaupt noch erfüllt.