VON ANGELA SCHWEIZER | 03.12.2014 15:50

Conflict Kitchen - Hinterm Tellerrand geht’s weiter

Was haben nordkoreanisches Naengmyeon, kubanisches Léchon und venezuelanische Tajadas gemeinsam? Alle drei Herkunftsländer verbindet ein gespanntes Verhältnis mit den USA. In seinem Imbiss „Conflict Kitchen“ in Pittsburgh bietet der Kunstprofessor Jon Rubin nur Gerichte aus Ländern an, die mit den USA in einem Konflikt stehen. Denn Kunst ist ja bekanntlich (k)eine Geschmacksfrage.


Ein mongolisches Sprichwort besagt: „Ein Mann mag kein Herz haben, aber er hat bestimmt einen Magen“. Auch Jon Rubin ist der Meinung, dass ein gemeinsames Essen mehr Menschen zusammenbringt als eine politische Veranstaltung. Gemeinsam mit dem Künstler Dawn Weleski hatte der Kunstprofessor aus Pittsburgh vor einigen Jahren die Idee, ein Kunstprojekt http://conflictkitchen.org/ zu starten, um unter der Bevölkerung für eine differenziertere Auseinandersetzung mit der amerikanischen Außenpolitik und den damit verbundenen Konflikten zu sorgen.

Konflikte sind ein Grundmerkmal menschlichen Zusammenseins. Wird mit Konflikten richtig umgegangen, können sie erheblich zu sozialem Wandel beitragen und große Lernprozesse hervorbringen. Viele Menschen in Amerika hinterfragen jedoch nicht gängige Narrative, und eine einseitige mediale Darstellung verstärkt vorhandene Klischees und lädt nicht zu einer gesamtgesellschaftlichen Auseinandersetzung ein. Daraus resultierende Vorurteile, die größtenteils auf einem Mangel an Wissen basieren, hindern durch selektive Wahrnehmung daran, neues Wissen aufzunehmen um differenzierter mit dem Konflikt umzugehen.

Kunst kann doch eh nichts bewirken, oder?

Kunst als Hilfe zur Konfliktlösung

Das Menü und damit das Land mit der konfliktbelasteten Beziehung wird nach ein paar Monaten gewechselt. Bisher standen Gerichte aus Afghanistan, Kuba, Nordkorea, Iran und Venezuela auf dem Speiseplan. Sogar der Imbiss wird dann in den landestypischen Farben gestrichen. Die Künstler reisen vorher in die jeweiligen Länder, um sich vor Ort mit den Menschen zu unterhalten und mit ihnen gemeinsam zu kochen, Rezepte zu sammeln und Interviews zu führen. Die Geschichten werden aufgeschrieben, gedruckt und als Einwickelpapier für das Essen an die Gäste ausgegeben. So können die Menschen beispielsweise die Geschichte eines Nordkoreaners erfahren, der nach China flüchtete und dessen Mutter dem Regime die abenteuerlichsten Geschichten erzählte. Sie errichtete sogar ein falsches Grab, um vorzutäuschen er sei bei einem Unfall ums Leben gekommen. Umrahmt werden die thematischen Monate mit Diskussionsrunden und Veranstaltungen, bei denen Menschen aus den Konfliktländern, die in Amerika leben, zu Wort kommen.

Begeisterte Besucher und Morddrohungen

Die Resonanz ist positiv, pro Tag kommen bis zu 300 Gäste. Kürzlich musste das Restaurant jedoch aufgrund einer Todesdrohung vorübergehend schließen. Derzeit stehen Speisen und Getränke aus Palästina auf dem Menü. An der Darstellung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Situation Palästinas hatte sich viel Kritik entzündet, unter anderem wurde ihnen eine einseitige und anti-israelische Interpretation des Konflikts vorgeworfen. Die Betreiber der Konfliktküche erklärten daraufhin auf ihrer Homepage, es handle sich bei den Zitaten auf den Verpackungen um Stimmen der Menschen aus Palästina, und nicht um die Meinung der Künstler. Es gehe ihnen darum, viele verschiedene Stimmen hörbar zu machen.

Was tun, wenn der Konfliktküche eines Tages die Länder ausgehen, mit denen die USA im Clinch liegt? Professor Rubin ist zuversichtlich. Die Konfliktküche definiert einen Konflikt weitaus großzügiger, ein bewaffneter Konflikt müsse nicht vorliegen. Syrien könnte eventuell als Nächstes auf dem Speiseplan stehen, oder der Südsudan. Auch Russland sei möglich. „Ich fürchte“, so Rubin „so schnell werden uns die Möglichkeiten wohl nicht ausgehen“.