VON ANGELA SCHWEIZER
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29.12.2014 12:30
"Kapitalismus bedeutet Krieg": DIE LINKE zwischen pazifistischer Grundhaltung und Waffenlieferung
Eigentlich versteht sich die Partei DIE LINKE als Friedenspartei. Vehement vertrat sie ihre pazifistische Grundhaltung und stimmten gegen Einsätze in Afghanistan oder im Irak. Erstmals setzte sich die Partei in diesem Jahre für Waffenlieferungen an die Kurden und die irakische Armee ein, um sie im Kampf gegen die IS Armee zu unterstützen. Bedeutet dies das Ende der letzten Friedenspartei? Oder ist ein Bruch mit der pazifistischen Grundhaltung aufgrund der Verantwortung innerhalb einer Weltengemeinschaft gar längst überfällig, um Völkermord zu verhindern?
„Kapitalismus bedeutet Krieg“, schrieb Sahra Wagenknecht im Friedensjournal 2009. Expansion und Ausbeutung seien dem kapitalistischen System inhärent. Dem ständigen Streben nach wirtschaftlicher Verbesserung und dem Zugang zu Ressourcen wird dabei alles untergeordnet. Mit der zunehmenden Privatisierung der Kriege wurde der Krieg selbst zu einem immensen Wirtschaftszweig, daher steigt paradoxerweise das wirtschaftliche Interesse des privaten Sektors an der Aufrechterhaltung der Kriege weiter an. Wagenknecht warnt davor, dass besonders in wirtschaftlichen Krisenzeiten die Kriegsgefahr steigt, aufgrund des zunehmenden Rechtsrucks in der Gesellschaft. Sie plädiert für Ursachenbekämpfung und einen verstärkten friedenspolitischen Kurs, um Alternativen zu finden für Militär- und Kriegslogik. In diesem Sinne hielt die Partei DIE LINKE bisher an ihrer pazifistischen Grundhaltung fest. Sie fordert, alle Auslandseinsätze zu beenden und die NATO abzuschaffen.
Parteiverdrossenheit?
Nur etwa 1,8 Prozent aller Beitrittsberechtigten sind tatsächlich Mitglieder einer politischen Partei
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Reformer aus den eigenen Reihen schließen Militäreinsätze nicht mehr aus
Doch nicht nur der Einsatz für Waffenlieferungen nach Kobane, sondern auch Reformer aus den eigenen Reihen bringen diese bedingungslose Grundhaltung nun ins Wanken. Der Bundestagsabgeordnete der LINKEN, Stefen Liebich, sowie das Parteivorstandsmitglied Gerry Woope stellen mit ihrem diesjährig erschienen Sammelband Linke Außenpolitik - Reformperspektiven einen
Grundsatz der Partei in Frage. Statt einem Abschaffen der NATO fordern sie eine grundlegende Reform. Militärische Einsätze seien nicht von vornherein auszuschließen, da diese, neben dem Verfolgen wirtschaftlicher Interessen, dennoch zur Rettung von Menschenleben und zu einem Ende von Gewalt beitragen.
Pazifistische Grundhaltung schließt Recht auf Landesverteidigung nicht aus
Sie sehen dies nicht als einen Bruch mit der pazifistischen Grundhaltung der Partei. Dieser Versuch, auf SPD und Grüne zuzugehen, könnte schließlich ein Mitregieren in einer rot-rot-grünen Koalition ermöglichen. Dies war mit der bisherigen Haltung der LINKEN nicht möglich ist. Aufgrund der ambivalenten Haltung zu Rüstungsexporten und Militäreinsätzen deutscher Soldaten haben Grüne und SPD in diesem Bereich viel an Glaubwürdigkeit eingebüßt, hier konnte sich bisher einzig die LINKE mit ihrer konsequenten Friedenspolitik als wirkliche Alternative präsentieren. Auch Fraktionsvorsitzender Gregor Gysi hält trotz Kritik an seiner Unterstützung der Waffenlieferung an Kobane fest, um die Kurden gegen die IS-Armee aufzurüsten und somit „größeres Unheil“ zu verhindern. Die LINKE hätte trotz der pazifistischen Grundhaltung das Recht auf Landesverteidigung nie in Frage gestellt, er sei auch für einen
Einsatz der Bundeswehr wenn Deutschland angegriffen werde, so Gysi.
Starke
Kritik am derzeitigen Kurswechsel der Partei gibt es vor allem aus den eigenen Reihen: „Heuchlerisch und verlogen“, findet der saarländische Linken-Vorsitzende Oskar Lafontaine die Aktion „Kobane retten“. Schließlich schaue die westliche Wertegemeinschaft täglich „mehr oder weniger“ zu, wie Menschen auf der ganzen Welt hungern oder an Krankheiten sterben, die behandelt werden könnten: „Wer heute US-geführte Militäreinsätze in der Welt mit eigenen Truppen oder mit Waffenlieferungen unterstützt, lässt sich in eine US-Außenpolitik einbinden, die seit dem Zweiten Weltkrieg eine Blutspur mit Millionen Toten um den Erdball gezogen hat. Es geht bei den Diskussionen um die Beteiligung der Bundeswehr an den Militärinterventionen der letzten Jahre nicht in erster Linie darum, Menschenleben zu retten, sondern im Kern um die Frage, ob die Bundeswehr diese Außenpolitik der USA zur Sicherung von Rohstoffen und Absatzmärkten unterstützt.“