VON MAXIMILIAN REICHLIN | 04.11.2014 17:24

Beitrittszahlen lassen Parteien Hoffnung schöpfen – Das Ende der Parteiverdrossenheit?

Eine 2013 veröffentlichte Studie lässt die deutschen Parteien Hoffnung schöpfen: Für die großen Volksparteien CDU und SPD geht der Mitgliederschwund leicht zurück, andere Parteien konnten sogar steigende Mitgliederzahlen vorweisen. Dennoch ist die Lage noch nicht ideal. Nur etwa 1,8 Prozent aller Beitrittsberechtigten sind tatsächlich Mitglieder einer politischen Partei. Einen Grund dafür sehen manche Experten im Durchschnittsalter der Mitglieder.

Seit 2001 veröffentlicht Politikwissenschaftler Oskar Niedermeyer in der Zparl (Jährliche Zeitschrift für Parlamentsfragen) eine Studie mit statistischen Daten über die deutschen Parteien. So auch 2013, teils mit überraschenden Ergebnissen. Nachdem sowohl die Mitgliederzahlen der einzelnen Parteien als auch die Beteiligung an Bundestags- und Europawahlen seit 1990 stetig sank, kann nun eine leichte Trendwende beobachtet werden. Zahlreiche Neueintritte schwächten im vergangenen Jahr den kontinuierlichen Mitgliederverlust ab.

Politikwissenschaft studieren

Die Eintrittszahlen steigen wieder

So sinken die Zahlen für die großen Volksparteien CDU und SPD zwar immer noch, allerdings weniger stark als noch vor einigen Jahren. Nur 0,7 Prozent verlor die SPD, bei der CDU waren es 1,9 Prozent. Damit konnte sich die SPD, die sich seit langem mit der CDU ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den Titel der mitgliederstärksten Partei liefert, die Christdemokraten zum ersten Mal seit 2008 wieder überholen. Zum Vergleich: Von den Jahren 2011 auf 2012 verlor die SPD knapp 2,6 Prozent ihrer Mitglieder, die CDU noch etwa 2,9.

Kleinere Parteien, etwa die bayerische CSU oder die Grünen, durften sich sogar über Zuwachs freuen, Die Linke, die noch 2012 die schwersten Schläge hatte hinnehmen müssen, konnte ihre Mitgliederzahlen zumindest stabilisieren. Damit stimme seit Ende 2013 zum ersten Mal seit langem die These nicht mehr, dass alle Parteien an Mitgliedern verlören, so Niedermeyer. Das gelte nur noch für die beiden großen Volksparteien, und auch hier nicht mehr in dem Maße, wie noch vor einigen Jahren. Das könnte ein Ende der lange herrschenden Politik- und Parteiverdrossenheit bedeuten.

Die Mitglieder laufen nicht weg, sie sterben weg

Fest steht allerdings: Die Zahlen sind weiterhin nicht hoch. Die Anzahl der Parteimitglieder in Deutschland hat sich in den Jahren zwischen 1989 und 2012 von fast 4 Prozent auf mittlerweile 1,8 Prozent der Beitrittsberechtigten halbiert. Der Parteienforscher Professor Elmar Wiesendahl erkennt darin eine Auswirkung des hohen Durchschnittsalters der Parteimitglieder von etwa 59 Jahren. Der Nachwuchs, also die Anzahl der Mitglieder unter 35, fehle bei den meisten Parteien spürbar. „Kurzum: Die Parteien sind überaltert. Die Mitglieder laufen ihnen nicht weg, sondern sie sterben weg. Wir haben eine Nachwuchskrise.“

Dabei sind die Grünen noch die jugendlichste Partei im Bundestag: Hier liegt der Altersdurchschnitt bei etwa 48 Jahren. Noch jünger sind nur Randparteien, etwa die Piratenpartei mit durchschnittlich 31 Jahren (Stand: 2010). Dass vor allem jüngere Bürger sich von einer solchen Partei angezogen fühlen, hat einen guten Grund, weiß der Bremer Politikwissenschaftler Lothar Probst: Junge Menschen engagierten sich vor allem in aktionsorientierter Politik nach dem Motto „small and soon“, also nach kleineren Projekten, die aber schnell durchgesetzt werden können. Das ist bei den relativ jungen Piraten gegeben und führt zu einem Altersdurchschnitt, um den die meisten großen Parteien in Deutschland die Freibeuter beneiden dürften.