VON NORA GRAF
|
15.12.2014 17:10
Von Völkerball und Ballerspielen: Der Krieg als Spiel
Bei Kriegsspielen denken wohl viele an Computerspiele wie zum Beispiel die Egoshooter Counter-Strike oder Call of Duty. Doch auch Spiele wie das kindliche Cowboy-und-Indianer-Spielen oder bestimmte Brettspiele wie etwa Schach gehören ebenfalls zur dieser Kategorie. Was macht also ein Spiel zum Kriegsspiel? Und wie steht es mit der Moral in diesen Spielen?
Als Krieg bezeichnet das Völkerrecht jede bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Stämmen, Völkern oder Staaten, das heißt also zwischen einzelnen Gruppen von Menschen. Alle Spiele, die solche Kampfhandlungen in irgendeiner Form nachstellen, sind Kriegsspiele. Der Begriff ist also recht breit gefächert: Alle Spielformen, die solche Kampfhandlungen symbolisieren zählt man zu dieser Kategorie. Vom kleinen Krieg spielen im Sandkasten mit Plastiksoldaten bis hin zu großen Schlachten im Virtuellen mit Phantasieheeren á la Command and Conquer ist alles dabei. Oder eben auch Brettspiele – wie etwa Schach – bei denen die gegnerischen Truppen durch einzelne Figuren wie den König, Läufer oder Turm symbolisiert werden. Muss man sich als Erwachsener schon Gedanken darüber machen, wenn Kinder im Schulhof Völkerball spielen?
Ich spiele, also bin ich
Wie spielen Phantasie und Kreativität fördert
[...]»
Nein, sagen Experten. Gewalt
gab es schon immer, sie ist ein elementarer Bestandteil unseres Daseins, und wurde auch schon immer in irgendeiner Form abgebildet, sei es in Büchern, Kunstwerken oder Filmen. Schon in der griechischen Mythologie wurden die Kampfhandlungen detailliert beschrieben und ebenso anschaulich auf diversen Vasenmalereien abgebildet. Das Kruzifix allein – unter Aussparung der schmerzlichen Kreuzigung – lässt sich überdies als verharmlosende Darstellung von Gewalt anführen, religiöse Gewaltdarstellungen prägten den Menschen also schon seit jeher.
Trotzdem kommt die Frage auf, inwieweit die Abbildung solcher Taten, die ja doch immer plastischer dargestellt werden, Einfluss auf die Menschen ausübt. Wissenschaftler gehen davon aus, dass fast jeder Mensch schon in irgendeiner Form Kriegsspiele gespielt hat, auch wenn er sich dessen nicht bewusst war. Das liegt vor allem daran, dass diese Spiele sehr stark die Abenteuerlust der Menschen ansprechen, die Spannung stets hoch ist und jeder Spieler Macht ausüben kann. Des weiteren erweisen sich diese Spiele großer Beliebtheit ob ihres oftmals komplexen Charakters. So muss der einzelne Spieler häufig viele strategische Entscheidungen parallel treffen, was wiederum intellektuelle Fähigkeiten erfordert.
Und auch wenn manche Kriegsspiele zum Teil sehr brutal werden können, so ist es eben ein Spiel mit symbolischem Charakter. Das bedeutet auch, dass das reale Blutvergießen und der Kampf auf dem Brettspiel zwei unterschiedliche Wirklichkeitsebenen abbilden. Die meisten Spielenden können diese Ebenen ganz klar unterscheiden und wissen um den Symbolcharakter. Wenn ein Kind also mit einem Gegenstand auf ein anderes zielt und „schießt“, ist es sich sehr wohl bewusst, dass es sich dabei um eine spielerische Handlung und nicht um eine echte handelt. Das Kind bildet dadurch das ab, was es im realen Leben erfährt – und nicht umgekehrt. Anders gesagt: Das Spiel führt nicht zur Lebenswirklichkeit, sondern die Realität führt zur Abbildung dieser Wirklichkeit in einem Spiel.
Nach Anschlägen oder Massakern in Schulen kommt meist auch eine Debatte über Gewalt in Computerspielen und über diese als Auslöser für solche Gewalttaten auf. Auch wenn bestimmte Egoshooter allein noch
keinen zum Amokläufer werden lassen, so beschäftigt sich auch die
Spielergemeinde selbst immer mehr mit ethischen und moralischen Gesichtspunkten ihres Mediums. Diese kritische Auseinandersetzung der User mit Gewaltdarstellungen hat vielleicht auch zu einer Art Paradigmenwechsel bei diesen Computerspielen geführt. Immer öfter werden Moralfragen oder auch Entscheidungen, bei denen der Nutzer zwischen Gut und Böse entscheiden muss, in die Spiele mit hineingenommen und als wichtiges Element benutzt.
Dies lässt sich zum Beispiel an dem Egoshooter
Spec Ops: The Line sehen, der 2012 auf den Markt kam und der die Pfade eines bloßen Weltkriegs-Shooters verlässt. Das Spiel versetzt seinen Protagonisten, den Soldaten Walker, bewusst in Situationen – quasi moralische Dilemmata –, in denen er zwischen Gut und Böse entscheiden muss, was sich aber zunehmend schwieriger gestaltet. Glaubt Walker am Anfang noch, dass er bei einem Einsatz zur Evakuierung helfen soll, stellt sich nach und nach heraus, dass es sich um ein Massaker an der Zivilbevölkerung handelt. Wer ist nun auf welcher Seite? Auf wen schießt er gerade? Wer ist Verbündeter, wer Gegner? Das Spiel lässt diese Fragen offen und der Konsument kann nur aufgrund seiner eigenen Überzeugung handeln.
Spec Ops: The Line schafft es, dass der Spieler den Sinn seiner Handlungen hinterfragt.
Eltern sollten sich also weniger Sorgen darüber machen, wie sehr Kriegsspiele schaden können, als vielmehr die frühen, harmloseren Spielformen zum Anlass nehmen, um ihren Kindern ethische und moralische Prinzipien zu vermitteln. Denn dadurch werden sie vielleicht auch später mit den gewalttätigeren Computerspielen kritisch umgehen.