VON ANGELA SCHWEIZER | 29.12.2014 12:47

Die Genfer Konventionen und das Bemühen um einen humanen Krieg

In diesem Jahr feiern die Genfer Konventionen ihr 150-jähriges Jubiläum. Der Schutz von Zivilpersonen, Kriegsgefangenen und das Verbot von Folter gelten als wichtige Komponente des humanitären Völkerrechts. Doch gibt es so etwas wie Humanität im Krieg? In den asymmetrischen Kriegen des beginnenden 21. Jahrhunderts wenden Kriegstreiber und Kriegsprofiteure mehr denn je gezielte und systematische Gewalt gegen die Zivilbevölkerung an.

Eigentlich war der Schweizer Geschäftsmann Henry Dunant Napoleon hinterhergereist, um bei ihm vorzusprechen. Er suchte Unterstützung für seine Geschäfte mit der französischen Kolonialverwaltung in Algerien. Was Dunant jedoch im Jahre 1859 in Norditalien auf dem Schlachtfeld von Solferino sah, ließ ihn nie wieder los: Österreicher, Franzosen und Italiener versanken in einem Blutbad. Nach der Schlacht lagen 40.000 schwer verwundete, sterbende und verstümmelte Menschen herum, um die sich niemand kümmerte. Dunant organisierte Menschen aus umliegenden Orten, um den Verwundeten zu helfen. Er veröffentlichte das Erlebte in seinem Buch „Die Erinnerungen an Solferino“.

Die Geburtsstunde der Genfer Konventionen

Darin forderte Dunant die Gründung von neutralen Hilfsgesellschaften, die sich um Verwundete beider Seiten kümmern konnten und deren Einsatz im Krieg geschützt wurde: Das Rote Kreuz war geboren. Wenig später, am 8. August 1864, trafen sich zwölf Regierungen auf einer diplomatischen Konferenz in Genf, um einem vom Internationalen Komitee des Roten Kreuzes ausgearbeiteten Vertrag namens „Genfer Konventionen zur Verbesserung des Schicksals der verwundeten Soldaten der Armeen im Felde“ zuzustimmen.

Die späteren Weltkriege zeigten jedoch, dass diese Bestimmungen nicht ausreichten, und die Genfer Konventionen wurden nach dem Zweiten Weltkrieg und vor der Jahrtausendwende weiter ergänzt. Inzwischen gibt es insgesamt vier Genfer Abkommen. Darin wird der Schutz von Zivilpersonen und Kriegsgefangenen geregelt, sowie der Schutz von Verwundeten und Kranken im Feld und auf See, zum Beispiel im Falle eines Schiffbruchs.

Systematik der Unmenschlichkeit

Massenvergewaltigung als Kriegsinstrument

Besonders die Zivilbevölkerung ist in Kriegszeiten massiven Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt: Systematische Massenvergewaltigungen in Krisengebieten werden gezielt eingesetzt, um die Gesellschaft zu destabilisieren. Mutige Frauen aus Ex-Jugoslawien machten dies zum ersten Mal öffentlich, als sie über Massenvergewaltigungen als Instrument der Kriegsführung berichteten. Laut Angaben des Europarates wurden im von 1992 bis 1995 währenden Bosnienkrieg 20.000 Frauen Opfer von Vergewaltigung und Folter. Von Beginn des Krieges wurden Frauen systematisch so oft wie möglich vergewaltigt, in „Einzel-, Gruppen- und Dauervergewaltigungen“, so Human Rights Watch. In patriarchalischen Gesellschaften gilt die Vergewaltigung als Schande für das Opfer und bedeutet Stigma und soziale Exklusion. Auch Jungen und Männer werden zunehmend Opfer. Auf Basis der Geschehnisse in Jugoslawien deklarierte der Internationale Strafgerichtshof erst im Jahr 2001 Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und als Kriegstaktik. 2008 definierte auch die vom UN Sicherheitsrat verabschiedete Resolution 1820 Vergewaltigungen als Kriegsverbrechen. Dies ist auch insofern ein wichtiger Schritt, da in vielen Ländern Vergewaltigung in der Ehe noch nicht einmal strafbar ist.

Laut der Friedensforscherin Mary Kaldor betrug das Verhältnis zwischen zivilen Opfern und Soldaten im ersten Weltkrieg noch 1:8, heute hätte sich das Verhältnis jedoch umgedreht und liegt bei 8:1. Gerade aufgrund der großen Anzahl asymmetrischer Kriege, die heute auf der Welt ausgefochten werden, sind die Genfer Konventionen wichtiger denn je. Ohne sie gäbe es keine Handhabe, auf Basis derer Kriegsverbrechen angeklagt und verfolgt werden könnten. Auch Linkenfraktionschef Gregor Gysi bezog sich auf das Völkerrecht und das Verbot der Folter, als er kürzlich gegen die CIA und den ehemaligen amerikanischen Präsidenten George Bush Strafanzeige stellte.