VON MAXIMILIAN REICHLIN | 08.12.2014 13:58

Gerechter Krieg – Gibt es so etwas, und wenn ja, wie?

Immer wieder hört und liest man von „gerechten Kriegen.“ Mit diesem aus der Antike stammenden Gedankenkonstrukt sollen Kampfeinsätze und bewaffnete Auseinandersetzungen bezeichnet werden, die auf eine gewisse Art und Weise moralisch gerechtfertigt oder notwendig scheinen, um den Frieden zu wahren. Als Beispiel eines „gerechten Krieges“ wird von vielen Politikern und Experten oft der Einsatz der Alliierten gegen Hitler-Deutschland genannt. Andere Stimmen behaupten: Einen gerechten Krieg kann es nicht geben. UNI.DE über die Debatte.


Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen betonte bei einem Gespräch mit der Deutschen Welle im Juni, sie wolle außenpolitisch „mehr Verantwortung übernehmen“. Auch etwa bei Friedensmissionen in Afrika, im Umgang mit der paramilitärischen Terrorzelle Islamischer Staat oder in der russischen Krim-Affäre. Von der Leyen wörtlich: „Wir wissen von den Friedensmissionen der UN, dass man manchmal auf militärische Mittel nicht verzichten kann.“ Die Ministerin beruft sich damit auf die „Lehre vom gerechten Krieg“, die bereits in der römischen Antike unter dem Philosophen Cicero populär war und sich durch das Mittelalter hindurch bis heute gehalten hat.

Was ist ein gerechter Krieg...

Die Grundfrage dieser Lehre lautet: Wann ist eine bewaffnete Auseinandersetzung gerechtfertigt? Fünf Punkte sind dafür entscheidend: Ein Angriff muss einen gerechten Grund (1) haben und eine gerechte Absicht (2) verfolgen. Ein Grund für einen Kampfeinsatz wäre demnach zum Beispiel die Selbstverteidigung eines angegriffenen Staates, eine legitime Absicht die Wiederherstellung des Friedens. Außerdem darf der Kampfeinsatz nur von einer legitimen Autorität befohlen werden (3), in unseren Zeiten etwa dem Verteidigungsbund NATO oder den Vereinten Nationen.

Schließlich darf selbst der „gerechte“ Krieg nur das letzte Mittel sein (4) und eine begründete Hoffnung auf Erfolg mit sich bringen (5). Eine andere Seite des gerechten Krieges bezieht sich darauf, was in einem Krieg erlaubt ist und was verboten sein muss, also welche Mittel im Kampf legitim sind und welche als sogenannte „Kriegsverbrechen“ gelten sollen – etwa die Tötung von Zivilisten.

We the People

…und warum kann es ihn nicht geben?

Eine weltweite Diskussion mit großem Medienecho haben vor diesem Hintergrund beispielsweise die Terrorangriffe auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 ausgelöst. Uneinig waren Experten vor allem über die Frage, ob der Angriff auf Amerika auch als Angriff auf den Bündnispartner Deutschland und damit als „Verteidigungsfall“ gewertet werden kann. In diesem Fall wäre die deutsche Beteiligung an den darauffolgenden Afghanistan-Einsätzen der USA legitimiert worden. Doch selbst die Frage, ob und in wie fern der gesamte Afghanistan-Krieg im Nachhinein als „gerecht“ bewertet werden kann, ist nach wie vor kaum zu beantworten.

Der vielfach – etwa auch von Friedensnobelpreisträger Barrack Obama – als weiteres Beispiel für einen „gerechten“ Krieg genannte Einsatz der Alliierten gegen das Deutschland des Dritten Reiches, kann, nach der obigen Definition, nur schwer als „gerecht“ gelten. Einerseits durch das Fehlen einer „legitimen Autorität“, andererseits durch die Unverhältnismäßigkeit der Militärschläge gegen Zivilisten, beispielsweise im Bombenkrieg auf deutsch Großstädte, oder auch beim Atombombenabwurf über Hiroshima um die japanische Kriegsbeteiligung zu beenden. Vor diesem Hintergrund stellte auch die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Margot Käßmann zum 70. Jubiläum des D-Day im Juni die provokante These auf: „Es kann keinen gerechten Krieg geben. Nur gerechten Frieden.“