VON Marie-Thérèse
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11.12.2014 14:17
Weniger Party mehr Partizipation – Wege zur stabilen Friedenssicherung
Der Begriff der Partizipation geht etymologisch auf das lateinische Wort particeps ("teil-nehmend") zurück und bedeutet "Beteiligung", "Teilhabe", "Mitwirkung". Partizipation heißt, dass Menschen ihre Möglichkeiten als Mensch verwirklichen und an den hierzu notwendigen Ressourcen teilhaben können. Sie ist auf regionaler wie globaler Ebene unabdingbare Voraussetzung für nachhaltige Kriegsprävention und Friedenssicherung. Doch wie können Partizipation und globale Gerechtigkeit gewährleistet werden? Es gibt beeindruckende Beispiele jenseits der Bemühungen von Regierungen.
Partizipation hat mit Party recht wenig zu tun. Zugegeben, die vier ersten Buchstaben der beiden Wörter sind gleich, aber darüber hinaus? Wer ein kleines bisschen Latein an der Schule und/oder an der Uni hatte, weiß, dass beide Lehnwörter zumindest die auf die gleiche Wortwurzel zurückgehen, nämlich auf das, was dann im Deutschen als „teilen“ bekannt ist und sich im französischen partager („teilen“) erhalten hat. Doch ist als ältere Bedeutung der Wortwurzel nicht das „Teilen“, sondern auch das „Trennen“, “Absondern”, „Abspalten“ bekannt, das ja bekanntlich jedem Teilen vorangehen muss. Diese Bedeutung des Absonderns steckt im lateinischen partiri, aber auch in unserem deutschen Wort der politischen Partei. Im Englischen kann das Wort party deshalb auch folgerichtig nicht nur die abendliche Feier, sondern auch eine juristische Person oder eine politische Partei bezeichnen. Mit anderen Worten: eine Party im englischen Sinne kann verbinden oder trennen und genau das ist auch der weltweite Effekt der ungleichen Verteilung von Partizipation.
Gold, Erdgas und ein armes Land
Mosambik im Rausch der Rohstoffe
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Bevölkerungswachstum aktuell: Jedes Jahr ein neues Deutschland, Tendenz steigend
Die globale Gemeinschaft wächst derzeit pro Woche um rund 1,5 Millionen Einwohner. Pro Jahr sind das rund 80 Millionen
neue Erdenbürger, so viele wie alle Einwohner der Bundesrepublik Deutschland. Doch wie steht es eigentlich um die Teilhabe dieser neuen Mitglieder der globalen Gemeinschaft? Haben sie ausreichenden Zugang zu sauberem Wasser, Energie, Nahrung? Werden sie in Frieden aufwachsen, Familien gründen, einem Beruf nachgehen können? Wird ihr Leben ein Leben auf der Flucht, ein Leben in Krisengebieten, an Kriegsschauplätzen sein? Die Antwort auf diese Fragen kann pauschal wohl wie folgt gegeben werden: Für die Zukunftsperspektiven dieser Menschen kommt es weniger darauf an, wann sie geboren werden und aufwachsen als vielmehr darauf, wo sie geboren werden und aufwachsen. Der Sicherstellung von sauberem Wasser, ausreichender Nahrung und Frieden fühlen sich viele Länder der Erde verpflichtet, aber Einfluss auf die Partizipationsmöglichkeiten der Menschen an Bildung, ärztlicher Versorgung, natürlichen Ressourcen und Kultur hat letztlich vor allem ein Faktor: die Friedenssicherung.
Friedenssicherung: ein ökonomisches Problem
Und hier sind wir schon mitten im Kern der hochkomplexen Vernetzung von
Krieg und Frieden,
Reichtum und Armut, angelangt. Denn es sind nicht zuletzt ökonomische Interessen, die immer wieder zu Kriegshandlungen führen und es sind nicht zuletzt erschreckend oft die ärmsten Länder dieser Welt, die die Leidtragenden dieser Interessen sind. Dieser Grundkonflikt spiegelt sich auch in der Problematik der weltweiten Partizipation wider. So betreibt die ressourcen- und damit auch partizipationsintensive Lebensweise einiger weniger ressourcenarmen Länder der hochindustrialisierten sogenannten Ersten Welt den systematischen Abbau von fossilen Potentialen, während es in den eigentlich ressourcenreichen, sogenannten Schwellen- und Entwicklungsländern oft am Nötigsten fehlt. Folgerichtig stehen dann in der Schieflage der globalen Vermögensverteilung die Billigproduktionen in den ärmsten Ländern den Konsumentenmärkten der Habenden gegenüber. Die reicheren Länder Europas und Nordamerikas hätten hier eine besondere Verantwortung zu teilen und Verantwortung für Mitmenschen in weniger privilegierten Lebensverhältnissen zu übernehmen, denn Friedenssicherung in einer global vernetzten Welt muss über die Ermöglichung von Partizipation erfolgen und das Recht auf Leben, Nahrung und Achtung des Einzelnen garantieren, das in Kriegssituationen, Terrorismus und politischen Unrechtssystemen so leichtfertig verspielt wird. Was das für den einzelnen konkret bedeutet? Ganz einfach: weniger Party, mehr Partizipation.
Weniger Party, mehr Partizipation: das Beispiel Bill Gates
Mit gutem Beispiel ist hier einer vorangegangen, auf den zu schimpfen in Deutschland lange Zeit zum guten Ton gehörte: Bill Gates. Ausgerechnet dem vermeintlich so bösen Gründer von Microsoft war es vergönnt, ohne großen Medienrummel aber dafür mit umso größerer Wirkung für die betroffenen Menschen das Motto „Weniger Party, mehr Partizipation“ in die Tat umzusetzen. Denn mit seiner
Stiftung ist es Bill Gates gelungen, 450 Millionen (ja, Millionen!) Impfungen in Afrika zu realisieren, die ohne seine finanzielle Unterstützung, aber auch ohne sein persönliches Engagement vor Ort nicht möglich gewesen wären. Von den 3,5 Milliarden US-Dollar Privatvermögen, die Bill Gates in seiner Stiftung für derartige Großkampagnen hinterlegt hat, hätten sich viele der von den Massenmedien unserer Zeit so umworbenen Filmstars sicherlich nicht freiwillig getrennt. Doch das ist noch nicht der entscheidende Unterschied. Der entscheidende Unterschied ist vielmehr: Die meisten vermögenden Berühmtheiten hätten sich nicht für die Ermöglichung von Partizipation – im Fall des Engagements von Bill Gates : Partizipation an ärztlicher Mindestversorgung für die Ärmsten der Armen in Afrika – von ihrem lieben Geld getrennt, sondern lediglich, um teure Partys zu feiern, teure Urlaube zu buchen, in teuren Restaurants zu speisen, teure Yachten, Handtaschen, Uhren und Villen zu erwerben. Und natürlich: um bei alledem von der Presse und ihren willigen Konsumenten (=uns Lesern) observiert zu werden. Wer also nicht die nötigen Mittel verfügt, um es Bill Gates gleich zu tun, der oder die kann zumindest seinen und ihren Beitrag zu mehr globaler Gerechtigkeit und Partizipation leisten, indem er oder sie die ungerechte Ressourcenverteilung und die Berichterstattung über Leute boykottiert, die nicht zu wissen scheinen, dass das Wörtchen Party von Teilen kommt.