Sprachliche Unterschiede: „tolerieren“ = dulden; „akzeptieren“ = „gutheißen“
Toleranz und Akzeptanz sind, einmal nur ihrer sprachlichen Gehalte nach, nicht das Gleiche: Betrachten wir beide Begriffe einmal mit der Lupe: Akzeptanz kommt vom lateinischen „accipere“, was so viel bedeutet wie „gutheißen“ oder „annehmen“. Der deutsche Germanist Günther Drosdowski definierte die Akzeptanz als die Bereitschaft, etwas oder jemanden zu akzeptieren, ein fremdes Gedankengut also im reinen Wortsinne „gutzuheißen“. Toleranz stammt ebenfalls aus dem Lateinischen. Das Verb „tolerare“ bedeutet soviel wie „erdulden“ oder „ertragen“. Hier tut sich bereits ein Unterschied der Bedeutungen auf: Während etwas „gutzuheißen“ ein aktiver Vorgang ist, erscheint das „erdulden“ eher passiv, so als könne man sich ohnehin nicht dagegen wehren, was da auf einen zukommt.
Da enden die Unterschiede aber noch nicht. Auch die Konnotation spielt eine gewichtige Rolle. Wenn wir sagen, wir „dulden“ etwas oder irgendjemand sei „geduldet“, ist das selten etwas Gutes. Vielmehr nehmen wir dabei eine Wertung vor, die Ausgrenzung schwingt bereits im gesprochenen Wort mit. So sagen wir also nicht: „Ich stehe hinter dir und befinde deine Anwesenheit für gut“, sondern: „Ich weiß, dass du nicht hierher gehörst, aber da ich nichts dagegen tun kann, dulde ich es.“ Möglicherweise sprechen wir auch von oben herab, mit Mitleid oder einem falschen Gefühl von Großzügigkeit: „Ich weiß, dass du nicht hierher gehörst, aber ich dulde dich dennoch. Bin ich nicht barmherzig?“ Letzten Endes muss der Geduldete dem Duldenden dann auch noch dankbar sein.
Von „erlauben“ bis „wertschätzen“ - Die Dimensionen der Toleranz nach Rainer Forst
Rainer Forst, ein deutscher Politikwissenschaftler und Philosoph, umfasst die Toleranz in vier unterschiedlichen Konzeptionen: Die Erlaubnis- und die Koexistenz-Konzeptionen sind dabei von einem erkennbaren Pragmatismus geprägt: Hier werden Minderheiten (Erlaubnis) oder gleichstarke Gesellschaftsgruppen (Koexistenz) geduldet, weil sie entweder keine Gefahr für das vorherrschende Machtgefüge darstellen, oder das „geringere“ Übel sind. Toleranz in reiner Form.
Forsts andere Konzeptionen, die Respekt-Konzeption und die Wertschätzungs-Konzeption, haben diese Sphäre der „Duldung“ bereits verlassen, denn in diesen beiden wird das fremde Gedankengut anderer Gesellschaftsschichten nicht nur toleriert, sondern aktiv akzeptiert. In der einen betrachtet ein nach Forst „toleranter“ Mensch seine Mitmenschen als rechtlich und politisch gleichgestellt, in der anderen schätzt er sogar die Errungenschaften, die das fremde Gedankengut der eigenen Gesellschaft einbringen kann.
Schädliche Außeneinwirkungen und falsche Messungen: Toleranz in Medizin und Technik
Noch eklatanter wird der Unterschied zwischen Toleranz und Akzeptanz, wenn wir die Begriffe technisch fassen. In der Medizin etwa ist die „Toleranz“ laut Duden die „begrenzte Widerstandsfähigkeit des Organismus gegenüber schädlichen äußeren Einwirkungen“. Und viele Naturwissenschaften arbeiten mit einem sogenannten „Toleranzbereich“; also einem fest abgesteckten Feld, in dem „falsche“ Zahlen und Messungen gerade noch so geduldet werden können, ohne eine Normabweichung zu sein.
Akzeptanz weiß in ihrem strengen Wortsinne nichts von solchen „Bereichen“, sie ist einfach da oder nicht. Und sie ist zudem meistens positiv konnotiert, es ist also besser, etwas zu akzeptieren, als es nicht zu tun. Nicht ohne Grund ist „Akzeptanz“ daher auch der Name des letzten Stadiums der Trauer: Erst wenn sich diese eingestellt hat, können Herz und Verstand heilen und der trauernde Mensch wieder zur Normalität zurückkehren.