VON RICHARD KEHL | 30.07.2010 12:51

UNI Kino: Renn, wenn Du kannst

Regisseur Dietrich Brüggemann mit seinem Spielfilmdebüt über eine etwas andere Dreiecksgeschichte von einem Rollstuhlfahrer, seinem Zivildienstleistenden und einer Studentin

Eine Situation, die jeder kennt: ein Frau muss sich zwischen zwei Männern entscheiden. Emotionen quellen über, Revierverhalten wird an den Tag gelegt, mit allen Mitteln um die Gunst der angebeteten Studentin gekämpft. Soweit so gut, wenn nicht einer der Beteiligten ein Rollstuhlfahrer wäre und zudem kein besonders angenehmer Zeitgenosse ist: Benjamin (Robert Gwisdeck), verbittert über seine Behinderung schikaniert er alle Menschen in seinem Umfeld, inklusive seiner Mutter und dem Zivildienstleistenden Christian (Jacob Matschenz). Letzterer studiert eigentlich Medizin. Christian geht relativ gelassen mit den Launen und Schikanen von Benjamin um. Das ändert sich allerdings als die Musikstudentin Annika (Anna Brüggemann) den Beiden über den Weg läuft. Beide verlieben sich in die Studentin und Christian kommt mit ihr vorerst zusammen. Ein skurriler Wettkampf um die Gunst der Angebeteten nimmt seinen Lauf.

Wie heißt ein so schönes Sprichwort: Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt. Ein Sprichwort, dass auf diese Dreiecksgeschichte voll zutrifft. Angeheizt wird das Szenario von der Musikstudentin Anna, gleichzeitig, die Schwester des Regisseurs, die auch am Drehbuch mitgearbeitet hat. Diese kann sich zwischen beiden Kontrahenten nicht wirklich entscheiden und genießt das dementsprechend nach ihrer Art. Es entwickelt sich vorerst eine eigene Art von Freundschaft zwischen den drei Parteien. Erst als Christian mit Anna zusammenkommt legt Benjamin seine Unsicherheit ab und signalisiert Anna ebenfalls sein Interesse an ihr. Auch Anna empfindet für Benjamin auf einmal mehr.

Im Mittelpunkt steht die Unsicherheit von Benjamin, der sich nach Liebe, Zuneigung und Sex sehnt, aufgrund seiner Behinderung seine Komplexe die Konfrontation in seiner Umwelt sucht. Dabei kommt kein Moment Mitleid mit ihm auf, eher unterhält der Film auf eine ganz eigene sarkastische Art und Weise - zumindest im ersten Teil. Was anfangs amüsant und unterhaltend beginnt, driftet langsam in eine langatmige Tragödie ab und wirft dabei folgende Fragen auf: Wie viel Liebe verträgt eine Freundschaft und kann ein körperlich Behinderter ein glückliches Liebesleben mit einer Nichtbehinderten führen?

Robert Gwisdeck, der bereits in 13 Semester den Gigolo spielte, schlüpft hier in eine ganz neue und herausfordernde Rolle, die er auch ganz gut meistert. Insgesamt gesehen unterhält der Film bis zu einem gewissen Maß, verliert sich langsam aber sicher in der Glaubwürdigkeit des „Bäumchen wechsle dich Spiels“. Die oft von oben gewählte Kameraperspektive a´la „Enter The Void“ suggerieren eine unparteiische Sicht des Geschehens, um auch ohne auf der Mitleidstour zu reiten, die dargestellte Problematik, eines Behinderten, seiner Emotionen, Probleme und Sehnsüchte darzustellen.