VON SASCHA MUELLER | 09.03.2010 10:39

1 Woche Tour-Guide

Sascha, 30 Jahre - der kleinste aber dennoch größte Guide der Welt

Tour-Guide zu sein, bedeutet nicht nur sportlich zu sein, die Region und Strecke zu kennen, sondern erfordert tiefe, feinfühlige psychologische Ansätze. Jeden Samstagabend in den Sommermonaten durchströmt mich derselbe Adrenalinkick. Wie werden 15 voller Tatendrang wartende, aufgeregte, auf Urlaub eingestellte und Respekt vor der anstehenden Woche habende Augenpaare auf mich reagieren? Wie werden sich 15 unterschiedliche Charaktere in den verschiedensten Konfliktsituationen verhalten? Doch nachdem das 1. Wort gesprochen und der 1. Welcome-Drink die Kehle durchströmt hat, löst sich nicht nur bei den Gästen, sondern auch bei mir die erste Anspannung. Dies ist der Beginn einer unvergesslichen Woche – für Gast und Guide!


Nach dem Briefing für die erste Tour-Etappe lauschten alle an der Matratze um mit vollen Kräften starten zu können. Sonntag-Morgen: Hochmotivierte Gäste scharren mit den Hufen und können es kaum erwarten von der Leine gelassen zu werden. Mein großes Plus: Nur ICH kenne den Weg. Innerhalb weniger Minuten taucht man ein in eine andere Welt. Es gibt nur noch die Natur und die Gruppe. Kaum einer denkt noch an PC, TV oder Handy, obwohl letzteres noch zwingend notwendig sein wird.


In den folgenden 6 Tagen erleben wir atemberaubende Landschaften, abwechslungsreiche Strecken, verschiedene Kulturen - wir durchqueren die kompletten Alpen von Nord nach Süd bis zu unserem Reiseziel – Riva del Garda.


Vor uns liegt das gewaltige Wetterstein-Massiv, welches bis zur Mittagsrast bezwungen werden möchte. Anfangs begegnen uns noch die üblichen Tagestourer, doch schon am nächsten Tag sollen wir allein unter uns verweilen. Am 1. Tag bewegen wir uns hauptsächlich auf Forst- oder Schotterwegen voran. Dennoch sind auch die ersten 1.500 Höhenmeter nicht zu unterschätzen. In den Uphill Passagen erleben wir ein erstes Trailfeuerwerk* Richtung Fernsteinschloss, nachdem wir den Fernpass über die alte VIA Claudia bezwungen haben. Unser Tag endet bei isotonischen Getränken (das gelbe mit der weißen Schaumkrone) und einem 5-Gänge-Menü.


Wir folgen den Spuren Hannibals auf dem alten Römerweg durch das Oberinntal, unter unseren Füßen das blaue Band des Inns, neben uns die Bergriesen aus Ötz- und Pitztal. Wie hier über diese verblockte Strecke vor Hunderten von Jahren die Römer mit ihrem Vieh und den Wagen die Alpen überquert haben mögen, flösst uns Resepkt ein. Vor allem da auch wir unsere Hightec Maschinen für einen kurzen Moment schieben müssen. Die fahrtechnisch anspruchsvollen Passagen nehmen zu. Viele Stufen- und Wurzelpassagen müssen gemeistert werden. Am Ende des Tages erfolgt der Schlußanstieg Richtung Nauders. Bereits nach 2 Tagen können wir die italienische Grenze förmlich riechen. Doch zuvor heißt es noch: Regeneration! Jammern gilt nicht, alle sind freiwillig hier und haben auch noch dafür bezahlt. Und Morgen wartet, DER FotoShootingPoint der Tour.


Nach Durchquerung einer Wiesenfläche, die an diesem Tag einem englischen Hochmoor ähnelt, ragt ein Felsen aus dem Nichts. Zu unseren Füßen liegt der Reschensee, darunter der Haidersee, an dessen Ende man majestätisch das komplette Ortler-Massiv erblickt. Einer der besten Trails der Tour führt uns direkt zum Reschensee.


Die Strecke verläuft in nicht enden wollenden Apfelplantagen durchs komplette Vinschgau. Die Temperaturen sind mediterran, das Essen einfach nur köstlich. Eigentlich können sich bereits alle Gäste Alpenüberquerer nennen aber sie sind noch keine Finisher. Auch verläuft die Strecke nicht - wie sonst gewohnt - über die A12 Bozen-Trento-Riva. Nein, wir machen noch einen kurzen Abstecher ins Ultental und bezwingen das berühmte Rabbijoch (2.450m). Für viele Gäste DIE Herausforderung der Tour. Den schier endlos langen Anstieg, und an Steilheit kaum zu übertreffen, können nur die Leute bewältigen, die während der letzten Tage ihre Kräfte gut dosiert haben. Nach ausgiebiger Mittagsrast erwartet uns ein weiteres Trailfeuerwerk*. Direkt hinter der Hütte beginnt ein von Wurzeln gespickter, von Steinen ausgesetzter und von Lehm rutschiger Trail der Superlative. Wir vernichten jetzt über 1.000 Höhenmeter, Hochleistung für Mensch und Material. Nach 5 Fahrtagen - mittlerweile wissen wir nicht mehr, welcher Wochentag gerade vorliegt – hat sich meine Gruppe die 1. Cappuccino Pause verdient. Nun sind wir endlich im Trentino und somit kann ich sicher sein, dass der Cappu auch besonders gut mundet.


Heute werden wir den Gardasee erreichen. Wie immer eine perfekte Tourwoche. Die Gruppe wuchs jeden Tag mehr zusammen, jeder sorgt für den anderen. Über das Sarca-Tal rollen wir gen 0 Meter über NN. Der Abend wird in einer tollen Location, gemütlichen Atmosphäre und einem leckeren Essen beendet. Die Nacht beginnt und nun fällt auch die Anspannung von mir … wieder eine Gruppe gesund und munter ans Ziel gebracht…


*Trailfeuerwerk als Trail bezeichnet man einen schmalen Weg oder Trampelpfad, ein Pfad ist oft schwer im Gelände auszumachen und kann von Menschen oft nur hintereinander befahren werden als Trailfeuerwerk bezeichnet ein Guide…als Feuerwerk bezeichnet man eine Darbietung, bei der pyrotechnische Gegenstände koordiniert gezündet werden, meist nacheinander aufeinander abgestimmte explosive Ergüsse.