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Sitzenbleiben Abgeschafft – ein Freifahrtschein zum Schulabschluss?

Schon seit einigen Jahren wird immer wieder über Sinn und Unsinn des Sitzenbleibens diskutiert. Hamburg hat die Ehrenrunde bereits abgeschafft und auch etliche andere Bundesländer wollen sich davon verabschieden. Es heißt, das Wiederholen einer Klasse sei zu teuer und die Schüler würden sich dadurch nur selten verbessern.

Während im Jahr 2000 bundesweit noch 3,2 % aller Gymnasiasten eine Klasse wiederholt haben, waren es im vergangenen Schuljahr nur noch 2,4 %. Das heißt aber nicht, dass die Zahl der schlechten Schüler gesunken ist, sondern dass die Lehrer mehr Schüler haben vorrücken lassen. Denn sie haben aus dem Kultusministerium die interne Anweisung bekommen, möglichst wenige Schüler eine Klasse wiederholen zu lassen. Das setzt die Lehrer natürlich unter enormen Druck, viele Lehrer an Gymnasien beschönigen die Leistung ihrer Schüler, um keinen Ärger zu bekommen. Die Marschrichtung ist klar: Weniger Sitzenbleiber. In Hamburg wurde die Ehrenrunde sogar komplett abgeschafft. Schon im vergangenen Schuljahr durften die Schüler der Klassen eins, zwei, vier und sieben nicht mehr sitzen bleiben, im laufenden Schuljahr 2011 / 12 gilt die Regelung dann zusätzlich für die Klassen drei und acht, ein Jahr später auch für fünf und neun. Andere Bundesländer folgen diesem Beispiel.

Die Diskussion über Sinn und Unsinn des Sitzenbleibens führen Pädagogen, Lehrer und Minister schon seit langem – und sind sich dabei keineswegs einig: Befürworter des Abschaffens argumentieren, dass Frust und Enttäuschung der Schüler über die Ehrenrunde oft größer sind als der schulische Nutzen, den die Kinder aus dem Wiederholungsjahr ziehen können. Sitzenbleiber würden sich in den allermeisten Fällen nicht verbessitzenbleibensern. Zudem kosten die Ehrenrunden laut Berechnungen des Essener Bildungsökonomen Klaus Klemm knapp eine Milliarde Euro pro Jahr. Das Argument ist also, kurz gesagt: Sitzenbleiben kostet zu viel und bringt zu wenig.

Eine Extrarunde drehen kann ohne Zweifel frustrierend sein. Auf der anderen Seite: Was bedeutet es, wenn die Versetzung ein Freifahrtschein bis Klasse zehn ist? Die betroffenen Schüler, so würde man meinen, könnten sich nun entspannen und ihrer schulischen Laufbahn ein Stück gelassener entgegenblicken. Doch wenn man mit den Jugendlichen spricht, schlägt einem eher Verunsicherung anstatt Jubel entgegen. »Ich kann mit Druck viel besser lernen«, sagt die 13-jährige Christine aus Hamburg. Es stellt sich die Frage, ob man den Kindern einen Gefallen tut, sie trotz Vieren und Fünfen im Zeugnis in die nächsthöhere Klasse zu retten. Was passiert danach mit dem einzelnen Schüler? Muss der Rest der Klasse immer warten, bis es auch der Letzte kapiert hat? Gegner des Abschaffens befürchten, dass Schüler das Gefühl haben werden, Leistung zähle nicht mehr – schließlich kommt der Fleißige am Ende genauso weit wie der Faule. Abschaffen allein genügt also sicher nicht. Es bleibt zu hoffen, dass das viele gesparte Geld einer gezielten Förderung der Schüler zugute kommt.

VON ANNETTE BUTENDEICH

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