Das Diplom ist die halbe Miete, heißt es. Zusammen mit monster.de haben wir für dich die wichtigsten Infos zusammengestellt, die du für die zweite Hälfte brauchst.
Namhafte Zeitgenossen wie Steven Spielberg, Günter Jauch oder Rene Obermann taten es, und wer kennt nicht die Vita von Bill Gates? Sie brachen ihr Studium ab, weil sie sich unterfordert fühlten. Solche Leute wollen anpacken und keine Zeit mit theoretischem Kram vertrödeln. Doch nicht jeder gründet gleich seine eigene Firma und nimmt sein Schicksal entschlossen in die Hand. Wer sich bewirbt, muss damit rechnen, dass ein Studium ohne Abschluss die Karriereaussichten empfindlich schmälert.
Unterschiedliche Urteile
Die Frage, ob der Studienabbruch Bewerber wie ein Mühlstein belastet, wird in der Wirtschaft unterschiedlich beurteilt. "Ich kann jedem nur ans Herz legen, das Studium unbedingt abzuschließen", sagt Peter Speck, Chef des Festo Lernzentrums Saar. "Bereits mit einem Bachelor in sechs Semestern habe ich auf jeden Fall etwas in der Hand.“ Speck zählt zu den Managern, die ein Studium als Erstqualifikation unbedingt empfehlen. "Der Bedarf an akademischer Qualifikation steigt unvermindert an. Ein Studienabschluss ist von vielen Kompetenzen gekennzeichnet, die im Beruf unmittelbar benötigt werden.“
Eine andere Position bezieht man bei Siemens. An der seit Jahren favorisierten Vorgabe, ein Studienabbruch sein kein Einstiegs- und Karrierehindernis, hält der Münchener Elektrokonzern unverändert fest. "Entscheidend ist, ob der Bewerber mit seinem Profil verspricht, die Aufgabe zu bewältigen und dem Unternehmen zu helfen“, sagt der für Karrierethemen zuständige Sprecher Karlheinz Gröbmair. "Kann der Bewerber gut begründen, warum der Studienabbruch die richtige Entscheidung war, stehen ihm alle Türen offen.“
Studienabbruch - richtig gemacht
Viele Studenten, weiß Karrierecoach Martin Wehrle, zögern zu lange, bis sie das Studium letztlich abbrechen. Würde man sie dazu drängen, es unbedingt fortzusetzen, erreiche man nur das Gegenteil. Psychologen nennen das die "paradoxe Wirkung des Appells“. Rate man umgekehrt zum Abbruch, überlegten sich plötzlich viele, das Studium doch fortzusetzen. "Wichtig ist, die Energie egal in welcher Richtung produktiv zu nutzen“, so Wehrle. Freilich müsse dem Einzelnen klar sein, welche Konsequenzen er mit seiner Entscheidung auf sich nimmt.
Wer ein Jurastudium abbricht, wird niemals Anwalt, Richter oder Staatsanwalt. Auch das Medizin- oder Lehramtsstudium ist ohne Examen wertlos. "Weniger problematisch ist hingegen, Kunstgeschichte oder Germanistik hinzuschmeißen“, sagt Wehrle. Bei den sogenannten "weichen“ Fächern sind Studenten sofort sich selbst überlassen, um es mit Sinn zu füllen. Viele nutzen den Freiraum, um sich neben dem Studium als Kellner, Taxifahrer, Mitarbeiter einer Tageszeitung oder als Reise- oder Museumsführer auszuprobieren. Manche finden so ihren Traumjob.
Alternativen zum Abschluss
Eines ist klar: Wer das Studium an den Nagel hängt, ist gezwungen, den Nachteil gegenüber einem Absolventen zu "kompensieren“. In seinem neuen Buch "Lexikon der Karriereirrtümer“ skizziert Wehrle in dem Kapitel "Ein abgebrochenes Studium ist kein Karrierehindernis“, worauf es genau ankommt: Welchen Vorteil bringt es der Firma, den Abbrecher einzustellen? Bringt er mehr Praxiserfahrung, mehr Sprachtalent, mehr soziale Kompetenz oder mehr technisches Verständnis als die meisten Abgänger mit? Wie lassen sich diese Qualitäten in seinem bisherigen Lebenslauf nachweisen? Gibt es Referenzen, Arbeitsproben, Zeugnisse? Man ahnt es: Diejenigen, die schon fleißig "Berufserfahrung“ sammeln konnten, haben faustdicke Trümpfe in der Hand.
Solche Aspekte fließen auch bei Siemens in die Beurteilung von Bewerbern ein. Wer das Studium abbricht, dann ins Ausland geht, dort interessante Erfahrungen sammelt und erfolgreich ist, könnte ein idealer Kandidat sein. "Und zwar überall dort“, erläutert Gröbmair, "wo Projektmanagement und interkulturelle Kompetenz den Ausschlag geben“. In dem Konzern gebe es viele Berufsfelder, in denen nicht nur formale Abschlüsse gefragt seien, sondern vor allem Schlüsselqualifikationen.
Richtungswechsel
Festo-Manager Speck sieht das völlig anders: Vorrang habe das Examen, erst dann könne die berufliche Entwicklung einen neuen Weg nehmen. "Es ist unproblematisch, nachher eine andere Richtung einzuschlagen, wenn man ein Studium vorweisen kann.“ Wer nach dem Studienabbruch eine Lehre absolviere, sei bei zahlreichen Unternehmen "als Bewerber durchaus willkommen“.
Damit zitiert Speck einen Trend, der sich seit vielen Jahren abzeichnet. Als Azubi wird der Studienabbrecher dem Abiturient vorgezogen – von den Haupt- oder Realschülern ganz zu schweigen. Aus Sicht der einstellenden Firmen hat der Abbrecher mehr Lebenserfahrung gesammelt, ist in der Regel selbständiger und stellt häufig in der Ausbildung mehr Durchhaltevermögen unter Beweis. Gerade mittelständische Unternehmen bevorzugen Studienabbrecher, nicht zuletzt weil ihre Gehaltsforderungen in der Regel niedriger sind.
Die erste Hürde ist die schwerste
Ist die Eintrittshürde erst einmal genommen, zählt nur noch die Leistung. "Überzeugt die Tatkraft des Mitarbeiters und bringt sie die Firma weiter“, sagt Wehrle, "gibt es für den Boss keinen triftigen Grund, ihn nicht genauso zu fördern wie einen examinierten Kollegen.“