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Das Diplom ist die halbe Miete, heißt es. Zusammen mit monster.de haben wir für dich die wichtigsten Infos zusammengestellt, die du für die zweite Hälfte brauchst.

Erfahrungsbericht Assessment Center

Assessment Centers sind berühmt-berüchtigt. Doch was läuft bei diesen Eignungstests wirklich ab? Wie fühlt es sich an, Teamfähigkeit, Durchsetzungsvermögen und ganzheitliche Denkansätze in einer Laborsituation zu präsentieren?

Phase 1: Sehen Sieger morgens um acht Uhr so aus? Ein Quartett junger, gut gekleideter Menschen sitzt betont aufrecht an einem Tisch: Zwei Männer mit Krawatte, zwei Damen im Hosenanzug.

Diese vier haben es in die zweite Runde eines Assessment Centers (AC) bei einem Dax-Unternehmen geschafft. Aus dem Inneren eines Konferenzraumes dringt helles Licht und das Quietschen geschobener Tische. Keiner der Teilnehmer weiß, ob dieses scheinbar zwanglose Zusammensitzen nicht bereits beobachtet wird. Man ist nett zueinander.

Keine Bauchentscheidungen

Die "Zeremonienmeisterin" des Tages, eine Mitarbeiterin der Personalabteilung, öffnet den Konferenzraum. Die fünfköpfige Jury sitzt mit dem Rücken zum Fenster, fünf Tische stehen in einer Front: Drei geschulte Beobachter, Mitarbeiter aus der Personalabteilung sowie zwei Vertreter der Fachabteilungen. Die Teilnehmer sitzen ihnen als weit offenes V gegenüber. Die Personal-Leiterin lässt sich entschuldigen, sie kommt ein paar Minuten später.

Die "Zeremonienmeisterin" erläutert das Verfahren, das Willkür verhindern, Eindrücke objektiv machen soll. Das standardisierte Verfahren verhindere Bauchentscheidung. Sie präsentiert das Unternehmen in Daten, Fakten, Marken, Produkten, Zahlen.

Wenn es menschelt

Im Lebenslauf von Teilnehmer R. (30 Jahre alt) reihen sich Sparkasse, Bundeswehr, Studium, Staatsexamen aneinander. Seine Praktika findet er "spannend", manche gar "super spannend". Er teilt sich Hobby und wichtigsten Zeitvertreib mit einem der Personaler: Ausdauersport und Kleinkind. Das menschelt.

Teilnehmerin M., 23 Jahre, gibt das Küken und punktet mit Zielstrebigkeit: Abitur, Wirtschaftsrecht, Auslandjahr in Irland, Praktika ("sehr spannend"), Diplomarbeit. Sie zieht gerne Wanderschuhe an und interessiert sich jetzt für die "weiche Seite der Wirtschaft": Personalwesen.

Spannende Bagger

Teilnehmerin H. (26) ist von Beruf Industriekauffrau und war bei Banken beschäftigt. Sie hat auch beim Vertrieb von Baggern "spannende" Einblicke gewonnen und ist irgendwann mit dem Recht in Berührung gekommen. "Natürlich nur im positiven Sinne".

Teilnehmer F., 28 Jahre, war bei der Bundeswehr und studierte an drei verschiedenen Universitäten Jura. Er ist Sportler: Leichtathlet - klingt nach einem Einzelkämpfer. Weil F. aber auch Hand- und Volleyball spielt, scheint er auch zu Teamwork fähig. Die verspätet eingetroffene Personal-Leiterin gibt den Teilnehmern die aus ihrer Sicht richtige Antwort zum Thema Hobby: "Ich habe doch meine Arbeit."

Was wird das Leitbild?

Phase 2: Die Jury zückt Beobachtungsbögen. 40 Minuten hat das Team Zeit für eine Gemeinschaftsaufgabe. In einer fiktiven Firma hat ein Vorstand verschiedene Kompetenzfelder abgestimmt. Nach zehn Minuten Vorbereitung und 30 Minuten Interaktion soll feststehen, welches Kompetenzfeld zum alleinigen Leitbild wird.

Konzentrierte Stille. Nach zehn Minuten schreiten die Frauen zur Tafel, besorgen Stifte. Pluspunkte für Initiative, Minuspunkte fürs Übernehmen von untergeordneten Tätigkeiten?

Auf einmal wird gesiezt

Die Gruppendiskussion entbrennt. Alle wissen, dass sie sich zeigen müssen. Vornehme Zurückhaltung ist kontraproduktiv. Einige Teilnehmer, die sich bislang geduzt haben, siezen sich plötzlich. Ist es klug, hartnäckig auf seiner Position zu verharren? Alle Aktionen, Körperhaltungen werden notiert. Eine Zwischenfrage wie "Für wen bestimmen wir dieses Leitbild?" bringt vielleicht Pluspunkte bei ganzheitlichem Denken.

Kaffeepause. Die Kekse auf dem Tisch bleiben Dekoration. Der Konversationston wirkt gepresst. Durchatmen, in Phase 3 kommen die Einzelvorträge. 30 Minuten Vorbereitung. Die Teilnehmer haben einen Präsentationskoffer mit Kärtchen, Stiften, Folien zur Unterstützung des fünfminütigen Vortrags. Jeder geht einzeln in den Raum.

Wenn die Gesichter schwitzen

In der Wartezone wird es wärmer. Verschwitzte Gesichter, Erleichterung nach dem Vortrag, erste Geständnisse: Die Teilnehmerinnen H. und M. geben zu, "bereits Erfahrung mit "AC" zu haben". Sie hospitierten bei Praktika auf der Beobachterseite.

Phase 4: Teilnehmer müssen Selbsteinschätzung zum Verlauf des bisherigen Verfahrens äußern, Fragebögen zu Stärken und Schwächen ausfüllen. Den Teilnehmern ist unklar, welche Funktion diese Selbsteinschätzung hat. Was wird als gesundes Selbstbewusstsein gewertet, was als mangelnde Selbstreflexion?

Ohne Handschlag verabschiedet

Mittagessen. Die Damen bestellen Salat. Die Herren blicken etwas unschlüssig auf ihre Teller. Ein Tisch für acht Personen wird kurzerhand mit zehn Leuten besetzt, damit niemand sich ausgegrenzt fühlen muss. Die anschließende Beratung der Jury verzögert sich. Die Personal-Leiterin verabschiedet sich nach dem Essen persönlich von drei der vier Kandidaten. Für Teilnehmer F. ist der fehlende Handschlag kein gutes Zeichen.

Das öffentliche Resümee: Für ACs sei dies ein ungewöhnlich homogenes und starkes Feld, es habe Spaß gemacht. Für einige Teilnehmer werde es vielleicht eine Einladung zur dritten Runde geben.

Noten für jeden Teilnehmer

Die Interviews mit Feedbackgesprächen wird die "Zeremonienmeisterin" persönlich führen. Vor ihr liegen eng beschriebene DIN-A2 Bögen mit Tabellen und Noten. Für jeden Zeitpunkt des Tages hat sie eine Note. Fachlich geschulte Beobachter aus dem Personalwesen geben tendenziell schlechtere Noten. "Die aus den Fachabteilungen lassen sich leichter blenden", sagt die "Zeremonienmeisterin".

In jeweils 30 bis 45 Minuten werden Stärken und Schwächen verkündet. Der Ton ist freundlich, die Ergebnisse sind es nicht. Schwächen bei der Teamarbeit, zu verhaltener Einsatz bei der Gruppendiskussion, verschenkte Punkte bei der Einbindung der aufgelegten Folie in den Vortrag. Haarklein transparent und scheinbar objektiv.

Mit Brille strenger

Nach dem Abschlussgespräch zeigen sich Auflösungserscheinungen. F. knabbert am Feedback. Teilnehmerin J. nimmt ihre Kontaktlinsen heraus - mit Brille wirkt sie strenger, verkniffener. Teilnehmer R. gibt zu, "erschossen" zu sein und informiert seine Familie über den Rückreisezeitplan. Und Teilnehmerin M. will in einer nahe gelegenen Großstadt einen draufmachen.

Claas Folkmer

VON Claas Folkmer MONSTER.DE

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