VON JULIA ZETZ
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18.11.2013 15:16
Tempo 30 als Lebensretter?
Anna ist heute 13 Jahre alt, sie ist ein hübsches Mädchen. Lange schwarze Haare, schlank und ausgesprochen intelligent. Sie liest gern, trifft sich gerne mit Freundinnen und findet Pferde toll. Eigentlich ist Anna genau wie ihre Freundinnen. Doch eines unterscheidet sie. Anna sitzt im Rollstuhl und das seit ihrem fünften Lebensjahr. Damals war sie mit ihrer Mutter in der Stadt unterwegs. Ein Autofahrer übersah das Mädchen und erwischte sie frontal mit Tempo 60. Die Ärzte konnten Anna im Krankenhaus nicht mehr helfen, ein späteres Gutachten ergab: Wäre der Autofahrer nur mit Tempo 40 gefahren, hätte er Anna nicht so schwer verletzt und sie könnte heute noch laufen. Würde ein generelles Tempolimit von nur 30 Stundenkilometern in Städten also Leben retten?
Jeder, der einen Führerschein hat, weiß es. Zwar gilt innerhalb geschlossener Ortschaften Tempo 50, aber wer mit mehr geblitzt wird, muss nicht gleich seinen Führerschein abgeben. Das dachte sich wahrscheinlich auch der Unfallverursacher, als er Anna mit erhöhter Geschwindigkeit erwischte. Die europäische Bürgerinitiative „Tempo 30 innerorts“ fordert jetzt ein generelles Limit in Städten.
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Hilft das wirklich?
Wer langsamer fährt, braucht länger. Aber wer anstatt mit Tempo 50 nur mit rund 30 km/h fährt, der braucht pro Kilometer nur weniger als eine Minute mehr. Doch nicht nur die geringe Unfallgefahr ist für Heike Aghte, Sprecherin der
europäischen Bürgerinitiative, ein Argument für Tempo 30 innerorts, denn würde ein generelles Tempolimit gelten, würden in Europa nicht mehr rund 35.000 Menschen jedes Jahr bei Verkehrsunfällen sterben.
Auch der geringe Bremsweg leuchtet als Argument ein, denn wer mit 50 km/h fährt, hat einen Bremsweg von rund 25 Metern bei einer normalen Bremsung, bei einer Vollbremsung sind es immerhin noch knappe 13 Meter. Fährt man aber nur mit 30 Stundenkilometern, verkürzt sich der Bremsweg auf neun Meter, bei einer Vollbremsung sogar auf unter fünf Meter.
Weitere Pluspunkte
Aber nicht nur eine erhöhte Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer sollte für eine „Tempo-30-Regelung“ sprechen, auch die Schadstoffbelastung verringert sich deutlich. Die österreichische Stadt Graz ist ein echtes Vorbild, denn hier gilt, bis auf die Hauptverkehrsstraßen, generell Tempo 30. Dadurch wurden die
NOx-Emissionen um fast ein Viertel reduziert.
Auch die Lärmbelastung an stark frequentierten Straßen könnte mit einer Tempo-30-Regelung sinken, die Folgen wären nicht nur bessere Wohnsituationen, sondern unter Umständen auch eine Reduzierung der zuweilen aggressiven Fahrweisen. Zudem wären damit beinah alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt, denn Mofas und Roller, die ohnehin nicht schneller als 25 km/h fahren dürfen, wären keine lästigen Verkehrsteilnehmer mehr.
Anna würde die Initiative unterschreiben, aber ihren Traum, Profi-Reiterin zu werden, wird sie sich niemals erfüllen können. Genauso wie sie viele weitere Einschränkungen hinnehmen muss. Aber ihren Lebensmut hat sie nicht verloren, „Der doofe Rollstuhl hält mich ja nur vom Reiten ab. Er kann mir aber nicht verbieten, am Leben Spaß zu haben.“.
Ein
europaweites Tempolimit kann funktionieren, das zeigt die Stadt Graz. Und nur eine Bestrafung für das Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit trägt - zumal in Deutschland - sehr wenig zur Sensibilisierung von Autofahrern bei.