VON SINEM S.
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11.06.2012 11:27
Sicherungsverwahrung und Kriminalitätsprävention
Sicherungsverwahrung, Höchststrafe, lebenslang. Die Worte, die Verbrecher abschrecken sollen, nochmals Taten zu begehen, Worte, die aber auch die Gesellschaft in Sicherheit wiegen, dass das Konzept der Gewaltprävention aufgeht. Wegsperren, vergessen, weitermachen. Doch so einfach ist es nicht. Verbrechen kommen nicht aus dem Nichts, sie geschehen immer wieder, seit Menschengedenken, und sind durch härtere Maßnahmen und mehr Sicherheitsvorkehrungen nicht weniger geworden.
Unsicheres Gefängnis
Bastoy in Norwegen: offene Türen, niedrige Rückfallqute
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In den letzten Monaten wurde kontrovers diskutiert, ob eine nachträglich verordnete
Sicherungsverwahrung von Schwerverbrechern gerechtfertigt sei, oder doch im Widerspruch zu den Menschenrechten stehe. Dabei ist der Schutz der Allgemeinheit maßgeblich, wenn also abzusehen ist, dass jemand wieder rückfällig wird, dient die Sicherungsverwahrung der Gewaltprävention in Deutschland. Doch die Argumente, die gegen die Verwahrung sprechen, sind ebenso gewichtig: Was, wenn man nicht absehen kann, ob jemand wirklich erneut straffällig wird? Und ist es überhaupt rechtens und gerecht, jemanden für eine noch nicht begangenen Tat vorsorglich wegzusperren? Der Europäische Gerichtshof entschied 2009, dass es gegen die Menschenrechte verstoße, seitdem ist die nachträgliche Sicherungsverwahrung in Deutschland erstmal nicht möglich. Zurück bleibt ein Gefühl der Unsicherheit in der Bevölkerung, war die Gewissheit über bereits weggesperrte Täter doch ziemlich beruhigend. Es stellt sich nun die Frage, ob Verbrechen wirklich durch solche Maßnahmen verhindert werden können, oder ob es noch andere Möglichkeiten zur Gewaltprävention gibt. Laut einer
Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2009 sind 38% der Befragten für eine höhere Polizeipräsenz, 35% für härtere Strafen und nur 9% dafür, mehr für Jugendliche zu tun. Dabei sind es oft die äußeren Faktoren, die Täter erst zu dem machen, was sie sind. Härter durchzugreifen bedeutet oft, Symptome zu bekämpfen, deren Ursachen ganz woanders liegen. Emotionaler und physischer Missbrauch in Familien, der Kinder bereits zu Opfern macht, aus denen später Täter werden; Schulen, die ihrem Erziehungsauftrag nicht gerecht werden, eine Gesellschaft, die immer noch in Gut und Böse unterteilt, in der Verbrecher stigmatisiert werden, anstatt differenziert Ursachenforschung zu betreiben.
Dabei sieht es in Deutschlands Gefängnissen nicht so aus, als würden sie geläuterte Menschen entlassen: Die Haftbedingungen grenzen oft an
Folter, verletzen die Menschenwürde, Zellen ohne Tageslicht oder Frischluft, fehlende Therapeuten in psychiatrischen Kliniken, nicht gerade die besten Voraussetzungen, um einem Täter den Weg zurück in die Gesellschaft zu weisen. Von Resozialisierung ist oftmals die Rede, wobei fraglich ist, wie Menschen in Isolationshaft lernen sollen, ihren Platz in der Gesellschaft wieder einzunehmen. Täter, die vor Haftantritt noch weniger Leben hatten als im Gefängnis: keinen Schulabschluss, keine Familie. Für die ein Leben im Knast oftmals den ersten geregelten Tagesablauf darstellt. Maximale Sicherheit gibt einem auch die Sicherungsverwahrung nicht, denn die Gesellschaft selbst erzeugt ihre Täter.