VON MAXIMILIAN REICHLIN | 22.04.2014 16:49

Schattenseiten der Baumwolle

Ein Kleidungsstück aus Baumwolle kostet den Verbraucher oft nur wenig Geld. Der Preis für das Pfund Baumwolle beträgt an der New Yorker Börse selten mehr als 2 Dollar (entspricht etwa 2,70 Euro). Doch kaum ein Verbraucher weiß, was alles an der Produktion des Rohstoffes hängt. Produziert unter meist menschenunwürdigen Bedingungen hat er auch seine Schattenseiten: Kinderarbeit, Gefährdung der Arbeiter und Gentechnik trüben die weiße Weste der Baumwolle.

In Bremen fand im vergangenen Monat unter dem Motto „Cotton for the People“ die 32. internationale Baumwollkonferenz statt. Zum ersten Mal protestierten diesmal verschiedene Nichtregierungsorganisationen gegen die Ausbeutung auf dem weltweiten Baumwollmarkt. Ein schockierendes Beispiel: In Usbekistan, dem Platz sechs der zehn größten Baumwolllieferanten weltweit, werden sowohl Erwachsene als auch Kinder in der Erntezeit regelrecht zur Ernte der Baumwolle gezwungen, und das sieben Tage die Woche, ohne Pausen oder angemessene Vergütung.

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Beobachter und Sachverständige der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) konnten sich im vergangenen Jahr ein Bild davon machen, unterlagen jedoch seitens der Regierung strengsten Restriktionen. Von „Cotton for the People“ kann unter solchen Bedingungen nicht gesprochen werden, finden die Beobachter.

Auch die Art des Anbaus in den meisten Produktionsländern steht in der Kritik. Der Einsatz von Pestiziden und Herbiziden schädigt die Arbeiter. Es soll sogar vorkommen, dass Flugzeuge die toxischen Pflanzenschutzmittel über den Feldern verteilen, während Arbeiter dort tätig sind, oder dass die Arbeiter die Pestizide selbst auftragen – ohne angemessene Schutzkleidung oder Atemmaske. Die Folge: 40.000 Feldarbeiter sterben jährlich an den Auswirkungen der Pestizid-Vergiftung, so Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation. Die übrigen leiden an Erkrankungen der Atemwege, der Haut oder der Augen. Das Risiko auf Krebs oder Impotenz steigt.

Ausgebeutet werden allerdings nicht nur die Feldarbeiter sondern vermehrt auch die Farmer. Indien, als weltweit zweitgrößter Produzent von Baumwolle, setzt vermehrt auf gentechnisch-verändertes Saatgut. Farmer verschulden sich für den Kauf der teuren Samen immens und sind abhängig von den Großkonzernen, etwa dem amerikanischen Saatgutlieferanten Monsanto. Durch Lizenzverträge dürfen die Bauern keine Samen der eigenen Ernte verwenden, sondern sind gezwungen, die teuren Samen nachzukaufen. Fällt die Ernte schlecht aus, steigen die Schulden. Die Selbstmordrate steigt, mehr als 200.000 indische Kleinbauern begingen nach Schätzungen in den letzten zehn Jahren Suizid.

Einen Trend gegen solche erschreckenden Entwicklungen setzt beispielsweise die Organisation Fairtrade. Hier werden Kleinbauern gezielt finanziell gefördert und die Betriebe auf ökologische Richtlinien umgestellt, um die Belastung für Gesundheit und Umwelt durch die schädlichen Pestizide zu vermindern. In allen Fairtrade-Kooperativen ist Kinderarbeit zudem strengstens verboten. Das macht die fertigen Produkte zwar teurer als konventionell hergestellte Produkte aus Baumwolle, ist allerdings auch ein großer Schritt hin zu einem ethisch korrekteren Markt.