VON CHARLOTTE MEYER | 24.09.2015 13:43

Eine bahnbrechende Erfindung im Innersten der Mechanik – über die Forschung zu den Mulitferroika

Das nervt jeden: Man telefoniert und muss beim Gespräch schon vorwarnen: Gleich ist mein Akku leer. Smartphones fressen bekanntlich viel Strom und müssen ständig angesteckt werden. Die britische Forscherin Nicola Spaldin legte nun den Grundstein für eine neue Stoffklasse, die diesem Dilemma möglicherweise ein Ende bereiten könnte: Das sind die sogenannten Multiferroika, die Eigenschaften aufweisen, mit denen Computer und Smartphones eine nie gekannte Energieeffizienz erreichen könnten. Dafür erhielt die Forscherin den Preis für die Europäische Wissenschaft. Doch was ist so bahnbrechend an dieser Stoffklasse?


Ein plötzlicher Einfall stand am Anfang

Wie es so manchmal ist, geschieht alles aus einem Moment heraus. So kam Nicola Spaldin in einer Kaffeepause die Idee, nach einem neuen Stoff zu forschen. Zu dieser Zeit arbeitete sie an der Yale University an den magnetischen Eigenschaften von Stoffen. In ihrem Team war sie damit allerdings die einzige, denn die anderen Forschenden beschäftigten sich sonst mit Materialen, die auf elektrische Felder reagieren. Ein Kollege meinte dann eines Tages während einer Pause wie schade es sei, dass es keinen Stoff gibt, der beide Eigenschaften hätte. Dann könnte man zusammen arbeiten. Spaldin fragte sich daraufhin tatsächlich, ob ein solches Material existiert und begann nachzuforschen. Mittlerweile hat sie die theoretischen Grundlagen für eine neuartige Stoffklasse gelegt, die elektrische und magnetische Eigenschaften vereinen. Man nennt sie Multiferroika, abgleitet von Ferrum, lateinisch für Eisen, weil das Element für die besonderen Eigenschaften des Stoffes verantwortlich ist. Die Bezeichnung Multi hingegen kommt daher, dass das Material mehrere Eigenschaften vereint, das heißt, zum Beispiel magnetisch und elektrisch ist.

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Multiferroika sollen Computerchips sehr viel schneller machen

Multiferroika sind deswegen so eine bahnbrechende Erfindung, weil es möglicherweise das Silizium ersetzen könnte, das in den Chips für Computer und Smartphones enthalten ist und das ihnen die Rechenleistung bringt. Durch Multiferroika nun könnte sich die Rechenleistung solcher Chips um ein Vielfaches erhöhen und Computer ultraschnell, extrem klein und sehr energieeffizient machen. Bei den herkömmlichen Stoffen war es nämlich bisher so, dass Ferroelektrizität durch Magnetismus abgeschwächt wird und Elemente mit guten ferroelektrischen Eigenschaften andere sind als die, die gute magnetische Eigenschaften aufweisen. Für Spaldin war so die Herausforderung, beides so zu kombinieren, dass Elektrofelder magnetische Technologien kontrollieren können und umgekehrt. Mit der Entwicklung der Multiferroika ist nun ein großer Schritt in diese Richtung getan – diese sind nämlich in der Lage, Informationen in elektrischer und magnetischer Form zu speichern.

Bis der Stoff in die Praxis kommt, dauert es wohl noch Jahre

Die Forschung zu den Multiferroika allerdings wurde nicht durch Spaldin begründet, sondern begann in der Sowjetunion bereits in der Mitte des letzten Jahrhunderts. Allerdings stagnierte die Forschung, weil man keine Stoffe fand, die zur Herstellung von Multiferroika geeignet gewesen wären. 2003 schließlich gelang Spaldin gemeinsam mit Forschenden von der University of California in Santa Barbara die Herstellung von Bismutferrit-Schichten, die heute weltweit von vielen Forschenden untersucht werden. Bismutferrit besteht dabei aus den chemischen Elementen Bismut, Eisen und Sauerstoff. Durch das Eisen wird die Verbindung magnetisch und Bismut sorgt dafür, dass elektrische Felder empfangen werden können. Im Labor werden die Bismutferrit-Kristalle erzeugt, indem aus den drei Elementen Stäbe zusammengepresst und schließlich unter großer Hitze zusammengeschmolzen werden. Auf diesem Weg ordnen sich die Atome neu an. Bis der Stoff allerdings unsere Handys schneller und effizienter macht, ist es noch ein weiter Weg. Die Herstellung von Verbindungen für Technologie ist noch Teil von Grundlagenforschung. „Es kann fünf Jahre oder zehn Jahren dauern oder uns kommt etwas dazwischen und es kommt nie auf den Markt“, so Spaldin. Ihr Traum geht noch viel weiter: den Schlüssel zum Verhalten von Elektronen zu finden. „Dann könnten wir Materialien mit allen erdenklichen Eigenschaften kreieren“. Bis das so weit ist, müssen wir wohl noch eine Weile unsere Handys anstecken.