VON C.V.A. | 02.05.2013 11:49

Meinungs- und Pressefreiheit: Gibt es sie wirklich?

„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten“. So steht es im Grundgesetz Artikel 5. Die freie Meinungsäußerung, sowie die Pressefreiheit sind Menschenrechte, die in die Charta der Grundrechte der Europäischen Union aufgenommen wurden. Doch wie frei kann der Einzelne seine Meinung wirklich vertreten und wie sieht es mit Zensur der Presse aus?


Die Meinungsfreiheit in Deutschland

Schon 1789 wurde die Meinungsfreiheit in der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte im Zuge der französischen Revolution als eines der kostbarsten Rechte des Menschen bezeichnet. Heute gilt sie als wichtigster Indikator für den Zustand eines demokratischen Rechtsstaates. Es gibt jedoch selbst in Demokratien Regelungen, die zu einer Eingrenzung der Meinungsfreiheit führen können – so auch in Deutschland.

Die Grundrechte

Im Artikel 5, Absatz 2 des Grundgesetzes wird die Meinungsfreiheit relativiert. Dort heißt es, dass die Freiheit seine Meinung zu äußern beschränkt werden kann, wenn beispielsweise die innere Sicherheit, der Schutz der Jugend oder das Recht der persönlichen Ehre betroffen sind. In Deutschland gewährt das Bundesverfassungsgericht solche Einschränkungen nur nach einer genauen Prüfung der Wirkung. Ein Beispiel wäre hier das Verbot von nationalsozialistischer Propaganda in Deutschland. Legitimiert wird dieses Verbot durch den „Schutz des öffentlichen Friedens“, was bedeutet, dass ein Ausnahmezustand durch eine erneute Machtübernahme von nationalsozialistischem Gedankengut gar nicht erst entstehen kann. Dieses Verbot muss jedoch differenziert betrachtet werden. So gilt es nicht als Freibrief für antifaschistische Verbote. Eine zustimmende Bewertung von Maßnahmen des NS-Regimes ist in der Regel nicht verboten, die Befürwortung von Konzentrationslagern oder das Leugnen des Holocausts hingegen gilt in Deutschland als strafbar.

Bei der Einschränkung der Meinungsfreiheit spielt also die Gewichtung von Werten eine große Rolle. In Deutschland werden die Ehre des Menschen, der Schutz der Jugend und der Demokratie für wichtiger angesehen als die freie Meinungsäußerung. Auch in anderen Ländern gibt es Werte die dazu führen, dass die Meinungs- und Pressefreiheit stark eingeschränkt wird oder werden kann. Dies kann unter Umständen auch zur völligen Begrenzung der freien Meinungsäußerung beitragen, wodurch das Grundrecht außer Kraft gesetzt werden kann.

Meinungsfreiheit in China: ein Wunschdenken?

In China beispielsweise ist es verboten, sich kritisch gegenüber der Regierung zu äußern. Die Staatsform des Kommunismus gilt hier als der Meinungs- und Pressefreiheit überlegen und die Regierung scheut nicht davor, massiv in dieses Menschenrecht einzugreifen. Neben einer ausgeprägten Kontrolle des Internets werden auch kritische Meinungsäußerungen von Künstlern, Autoren und Journalisten durch den Staat unterbunden. Soziale Netzwerke werden von der Regierung aus Angst vor einer „virtuellen Versammlungsfreiheit“ zensiert und allzu argwöhnische und aufmüpfige Künstler wie Ai Wei Wei kommen sogar in Haft. Doch gibt es inzwischen auch Proteste gegen die Unterdrückung. Unlängst haben Redakteure der „Southern Weekly“ gegen die Zensur ihrer Zeitung demonstriert und forderten mehr Pressefreiheit. Die Wochenzeitung gehört zu den meistgelesenen in China und vertritt eine regierungskritische Meinung. Der Protest erfolgte nach dem Verbot eines Artikels, der sich mit einer verfassungsmäßigen Ordnung Chinas zum Schutz der Bürgerrechte beschäftigt.

Einschränkungen in der Türkei

Aber nicht nur in China wird die Meinungs- und Pressefreiheit eingeschränkt. Auch die türkische Justiz greift immer öfter in die Äußerungen von Journalisten und Autoren ein. Der Literaturnobelpreisträger Orhan Parmuk beispielsweise wurde dieses Jahr zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er in einem Interview über den armenischen Völkermord gesprochen hat. In der Türkei ist es ein Tabu über den Genozid in Armenien zu sprechen, der im Land als solcher geleugnet wird. Momentan sitzen 72 Journalisten wegen kritischer Berichterstattung in der Türkei in Haft. Grund hierfür ist die neutrale Berichterstattung über terroristische Akte, die von der Regierung mit einer Unterstützung terroristischer Organisationen gleichgesetzt wird. Auch werden immer wieder Internet-Inhalte oder ganze Seiten von der Regierung gesperrt, die Inhalte wie die Verherrlichung von Drogen oder Beleidigungen des Staatsgründers Atatürk enthalten. Die Einschränkung der Pressefreiheit in der Türkei ist einer der Gründe, warum die Annäherung des Landes an die Europäische Union nur schwerlich vorangeht. Diese erklärt die Meinungsfreiheit als wichtiges Kriterium bezüglich der Aufnahme eines Landes in die EU.

Gefährdung der Journalisten

Die Einschränkung der Meinungsfreiheit korreliert mit einer begrenzten Pressefreiheit. Journalisten, die sich gegen die Pressezensur richten, leben gefährlich. Das Jahr 2012 wurde von der UNESCO als tödlichstes Jahr für Journalisten erklärt. Im Jahr 2013 sind es bereits 19, die ums Leben gekommen sind - 175 befinden sich derzeit in Haft. Dabei sind es nicht, wie man vielleicht annehmen möchte, die Journalisten in Krisengebieten, die am gefährdetsten sind, sondern viel eher diejenigen, die sich lokal darum bemühen, Korruptionen aufzudecken. Der Angriff auf Journalisten stellt einen besonders üblen Angriff auf die Pressefreiheit dar, den die UNESCO seit Langem versucht zu bekämpfen. Auch die Organisation Reporter ohne Grenzen setzt sich für die Aufhebung von Internet-Zensuren ein. Am 12. März hat der erste internationale Tag für freie Meinungsäußerung im Internet stattgefunden, der sich gegen jegliche Art von Online- Zensur richtete. Besonders betroffen von einer staatlichen Zensur des Internets sind Länder wie Kuba, China, Ägypten, Myanmar, Nordkorea und Vietnam.

Leider ist die absolute Meinungs- und Pressefreiheit eine idealistische Wunschvorstellung, die in der Form in den vielen Teilen der Welt bis heute nicht vorhanden ist. Doch im Anbetracht der vielen Organisationen, die sich für die Presse- und Meinungsfreiheit einsetzen, kann man nur hoffen, dass sich die Lage vielleicht ändert. Vor allem in der Türkei ist Potenzial für eine Veränderung vorhanden: Es gibt unabhängige Institutionen und Universitäten. Doch auch die EU muss sich um die türkische Pressefreiheit mehr bemühen. Zum Beispiel könnte, indem der Prozess der EU-Aufnahme wieder aufgenommen wird, der Anreiz für die Aufhebung von Pressezensuren sein. Als fortschrittliches muslimisches Land könnte die Türkei dann Modell für viele andere islamische Staaten sein.