VON Dieter Trollmann | 25.07.2014 16:49

Management - Erfolg programmiert sein eigenes Scheitern

Noch nie war eine Erfolgsepoche von Dauer. Jeder Erfolg hat es in sich, dass er sich systematisch selbst überholt, weil er die Bedingungen seines eigenen Scheiterns selbst erzeugt. Nur wenige sind fähig, den bisherigen Erfolg als Ursache von aktuellen Problemen zu erkennen. Nur wenigen gelingt es, zu verstehen, dass neue Lösungen gefordert sind, weil die bisherigen Erfolgsmethoden aufgrund ihres Erfolges verpuffen, kontraproduktiv geworden sind und mit sich gebrachte Schwierigkeiten nur verstärken.


Wenn in Erfolgsphasen Schwierigkeiten auftreten, handeln die meisten Menschen nach der Maxime: „Mehr vom Selben“. Dieses bekannte und gut erforschte menschliche Verhalten in komplexen Situationen ist typisch. Aber es ist falsch. Die Geschichte zeigt, dass solche Perioden immer wieder neue Denkweisen, Methoden und Systeme verlangten.

Die beiden Erfolgsmethoden des Westens sind Markt und Management. Wo sie bisher eingesetzt wurden, bewirken sie zunächst das Entfesseln von Kräften durch die freien Märkte und gleichzeitig das stetig effizientere Nutzen aller Ressourcen durch Management. Die Wirkung der freien Märkte wird heute nach wie vor durch das Auflösen von Grenzen und nationaler Regulierung maximiert. Die Wirkung von Management wird maximiert durch Computer und MBA-Programme. Beide Methoden werden in ihrer herkömmlichen Form die Bedingungen, die sie selbst geschaffen haben, ohne grundlegende Veränderung kaum überdauern. Denn parallel zur Synthese von Markt und Management wurde ein Prozess gigantischer Komplexifizierung ausgelöst, der durch die fortschreitende Verflechtung von immer mehr Systemen gekennzeichnet ist. Diese Nebenwirkung treibt die Funktionsfähigkeit von Gesellschaften und deren Institutionen an ihre Grenzen. Sie werden ineffizient und das droht die Gesellschaft zu überfordern.

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Wenn Gesamtsysteme zunehmend ineffizient werden, zeigt sich das unter anderem daran, dass immer höherer Input immer weniger Output bringt, frühere Freiheiten zu Exzessen führen und vorher abgebaute Regulierung als potenzierte Bürokratie zurückkehrt. Das System gerät – mit anderen Worten – unter Druck seiner Eigenzwänge. Der Erfolg wird zur Hypothek und beginnt sich ins Gegenteil zu verkehren.

Es liegt in der Natur von Problemen, die durch Erfolg entstehen, dass sie nicht durch dieselben Methoden gelöst werden können, die den Erfolg herbeigeführt haben. Hauptgrund dafür ist, dass diese Methoden auf dem Wissen des 20. und teilweise 19. Jahrhunderts beruhen. Dieses Wissen entspricht noch einer Welt, in der vor allem Stoff und Kraft, oder anders gesagt, Materie und Energie zu meistern waren. Es war eine Welt aus einfachen Systemen. Der Stoff des Komplexitätszeitalters ist ein anderer, nämlich – wie der Name sagt – die noch nie da gewesene Komplexität, die der Erfolg der bisherigen Methoden mit sich gebracht hat. Bei aller Verschiedenheit von Wirtschaftsunternehmen, Krankenhäusern, Universitäten und Verwaltungsbehörden ist ihnen gemeinsam, dass sie komplexe dynamische, nicht lineare, probabilistische, vernetzte Systeme sind. Ihre jeweiligen Umfelder – wiederum komplexe Systeme - bilden eine in sich vernetzte und verwobene, dynamische, nicht-lineare System-Ökologie. Gesundheits-, Bildungs- und Sozialsysteme, Versorgungs-, Energie-, Verkehrs- und Logistiksysteme, der Medien- und Informationsbereich, Informations- und Kommunikationssysteme, das globale Finanzsystem, Rechts- und Steuersysteme – um nur Teile zu nennen – sind ein Netz von komplexen Systemen, die prinzipiell undurchschaubar sind und mit dem herkömmlichen Alltagsverstand auch restlos unberechenbar.

Was ist zu tun und warum?

Das Warum ist rasch beantwortet: Weil das Top-Management von der Prämisse ausgehen muss, dass wir inmitten einer tiefgreifenden gesellschaftlichen Transformation stehen, in deren Verlauf nur weniges beim Alten bleiben wird. Den Wandel zu überschätzen, ist das kleinere Risiko als ihn zu unterschätzen.

Im Kern sind drei Grundfragen zu beantworten:

1. Was soll das Unternehmen tun?
2. Wo muss das Unternehmen funktionieren?
3. Wie soll das Unternehmen funktionieren?

Die erste Frage betrifft das Unternehmen und seine Tätigkeit, die zweite das Umfeld, in die das Unternehmen eingebettet ist, und die dritte Frage betrifft die Unternehmens-führung, also das Management-System.

Das Ergebnis der Bearbeitung dieser Fragen durch das Management sind drei in sich abgestimmte, integrierte Konzepte, nämlich das Unternehmenskonzept, das Umweltkonzept und das Führungskonzept. Diese drei Konzepte sind die Kapitel einer umfassenden, ganzheitlichen Unternehmenspolitik und – in dieser enthalten – Corporate Governance, die Denken und Handeln der Führungskräfte leiten.

Mit dem Unternehmenskonzept wird die Tätigkeit des Unternehmens definiert. Nebst anderen sind folgende Fragen zu stellen:

Was soll der Zweck des Unternehmens sein?
Soll das Unternehmen primär vom Gewinn her oder von einer gesellschaftlich orientierten Zwecksetzung gesehen werden?
Gibt es gar einen dritten Weg?
Welche Funktion will man Anspruchsgruppen zubilligen?
Welche ethischen Implikationen ergeben sich?
Was ist die Business Mission für das Gesamtunternehmen und unter Umständen seiner Geschäftsbereiche?
Durch welche Faktoren wird die Performance beurteilt?
Was sind die wichtigsten Funktionsbereiche, wie Forschung und Entwicklung, Marketing, Finanzen usw. für welche Grundsätze aufzustellen sind?
Gibt es Spezialthemen, die zu regeln sind, zum Beispiel Markenpolitik, Qualitätspolitik, Preispolitik und dergleichen?
Wo muss das Unternehmen funktionieren?

Ein Unternehmen ist maßgeblich durch seine Umwelt definiert. Richtige Führung muss immer von außen nach innen und nicht umgekehrt erfolgen, aber auf Basis einer ganz bestimmten Logik, nämlich der In-Out-In-Logik. Typische Fragen sind:

Worauf muss das Unternehmen in seiner Außenwelt achten?
Was sind aus welchen Gründen die wichtigsten Einflussfaktoren wie Kunden, Kapitalgeber, Arbeitnehmer und andere?
Welche geographischen Regionen sind für das Unternehmen wichtig?
Welche gesellschaftlichen, politischen, sozialen Faktoren beeinflussen das Unternehmen?
Welche langfristigen Trends und Tendenzen sind zu beachten?
Welche Theorien und Methoden müssen wegleitend sein, um zu einem navigationsgerechten Bild über die Umwelt zu gelangen?
Wie soll das Unternehmen funktionieren?

Jedes Unternehmen braucht ein Management-System. Dieses wird im Führungskonzept festgelegt. Schlüsselfragen sind unter anderem:

Nach welchen Prinzipien soll das Unternehmen geführt werden?
Welches Management-System braucht das Unternehmen, damit es funktioniert?
Welche Grundsätze sollen für die wichtigsten Teile des Management-Systems gelten, nämlich für die Unternehmens-Strategie, die Unternehmens-Struktur, die Unternehmens-Kultur und für die Führungskräfte, sowie welche weiteren Mitarbeiter im Unternehmen?
Wie sind die verschiedenen Mitarbeitergruppen auszubilden, damit sie professionell führen können?
Welche Führungsinstrumente, Führungsmethoden und Führungshilfsmittel sind erforderlich?
Welche Grundsätze gelten für Information und Kommunikation?
Welche Prinzipien sollen für Verantwortung und Ethik gelten?

Die beiden wichtigsten Mittel für die Regulierung eines komplexen Unternehmens sind Modelle und Regeln. Ihre lenkungsbezogene Bedeutung hat mit herkömmlicher Managementvorstellung wenig gemeinsam. Modelle haben die Funktion, die das Navigationssystem in Auto und Flugzeug hat. Regeln oder Grundsätze haben die Funktion, das Unternehmen zu befähigen, sich selbst zu organisieren. In komplexen Verhältnissen sind andere Formen der Lenkung unwirksam.