VON PHILLIPPINE SENSMEIER | 22.03.2012 10:15

Internet-Trolle – das etwas andere Märchen

Personen, die mit ihren Kommentaren in Online-Diskussionen teilweise stark provozieren, werden als Internet-Trolle bezeichnet. Was hat es mit dem „trollen“ auf sich? Welche Persönlichkeiten verbergen sich hinter den anonymen Streitmachern und wie lassen sie sich ausbremsen?

Lange Nasen, dicke Bäuche, runzelige Gesichter: Trolle sind boshafte Geisterwesen, die Schaden anrichten und in Höhlen leben. Nicht so der Troll des 21. Jahrhunderts, der sogenannte Internet-Troll. Dieser nämlich lebt nicht in Höhlen, sondern vielleicht sogar in der WG nebenan. Es handelt sich hierbei um Personen, die mit ihren Beiträgen in Diskussionen und Foren teilweise stark provozieren, um Aufmerksamkeit zu erregen und den eigentlichen Kommunikationsprozess zu stören. Internet-Autor Sascha Lobo definiert die dazugehörige Tätigkeit „trollen“ deshalb als soziale Störkommunikation.

Ursprünglich leitet sich das Wort „trolling“ von der englischen Bezeichnung „trolling with bait“ ab, einer bestimmten Art des Fischens, bei der eine Schleppangel in einem fahrenden Boot durch das Wasser gezogen wird. Die Analogie zum Ködern nach Aufmerksamkeit mithilfe von negativen Beiträgen gab dieser besonderen Internetaktivität daher ihren Namen. Gleichzeitig besteht die Verbindung mit den nicht-menschlichen Wesen aus der nordischen Mythologie, die im Gegensatz zu Feen und Elfen Schaden bringen und bösartig sind. Hier jedoch enden auch schon die Gemeinsamkeiten zwischen Märchen und Realität. Denn welche Persönlichkeit sich tatsächlich hinter den Internet-Trollen verbirgt, ist meist unklar. Ihre Stärke besteht nämlich in der Anonymität unserer digitalen Gesellschaft. Mithilfe von Fake-Identitäten und Nicknames, also unter Verwendung irreführender Angaben zur eigenen Person, werden unqualifizierte Kommentare abgegeben, deren Verfasser nicht erkenntlich sind.

Die Persönlichkeit des Internet-Trolls bleibt verborgen. Es ist also nicht klar, ob es sich bei einem solchen Störenfried um jemanden handelt, der besonders aggressiv oder wenig empathisch ist. Eine Studie mit acht Wikipedia-Administratoren, die nach den ihnen bekannten Internet-Trollen befragt wurden, förderte folgende Verhaltensmuster zutage: Sie agieren absichtlich, wiederholt und schädlich. Sie ignorieren und verletzen die Grundsätze der Internet-Community. Außerdem richten sie nicht nur inhaltlichen Schaden an, sondern versuchen auch, Konflikte innerhalb der Community zu schüren. Zu guter Letzt sind Trolle innerhalb der Internet-Gemeinschaft isoliert und versuchen ihre Identität zu verbergen. Motivationen hinter diesen Verhaltensweisen sind vor allem Langeweile, Rache oder die Suche nach Aufmerksamkeit. Meist finden die sie ihr Verhalten einfach nur unterhaltsam.

Um Internet-Trolle auszubremsen und ihren negativen Einfluss zu minimieren, steht an oberster Stelle das weitverbreitete Credo: „Trolle nicht füttern“. Man soll also auf ihre verletzenden und ausbremsenden Beiträge nicht reagieren und ihnen damit jegliches Gefühl von Aufmerksamkeit entziehen. Der Troll verliert sein Interesse, da er sein Ziel nicht erreichen konnte. Anstatt Troll-Kommentare zu löschen, können Blog- und Internetseiten-Betreiber auch die fiesesten Kommentare auf der Seite hatr.org sammeln und monetisieren. Das mit Werbung verdiente Geld fließt anschließend in soziale Projekte, der Hass des Trolls verwandelt sich in Solidarität für seine Mitmenschen. Es geht also vor allem darum, den Zielen des Internet-Trolls entgegenzuwirken, ihn zu ignorieren und seinen Ansporn verpuffen zu lassen. Diesen Rat hätten wohl auch Bilbo Beutlin und die 13 Zwergen gut gebrauchen können, um aus den Fängen der fiesen Steintrolle zu entfliehen – aber in Märchen gibt es dafür auch immer den guten Zauberer, der das Böse besiegen kann…