Vor sechzig Jahren, 1951, hat die Weltgemeinschaft aus furchtbaren Erfahrungen von Mord und menschlicher Entrechtung, den Zerstörungen des verheerenden Weltkriegs und damit verbundener millionenfacher Flucht und Vertreibung, die Genfer Flüchtlingskonvention beschlossen. Diese völkerrechtliche Vereinbarung gibt Menschen, die aus Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung flüchten müssen, den Anspruch und das Recht auf Schutz und Asyl.
Über 15 Millionen Menschen sind derzeit nach UN-Statistiken weltweit auf der Flucht. Diese Zahl ist erschreckend und doch spiegelt sie nur einen Teilaspekt eines weit umfassenden – und damit verbundenen Prozesses wider, dem der weltweiten Migration. Doch die wenigsten verlassen ihre Heimat freiwillig. Es sind vielmehr die Zwänge von Armut, Arbeitslosigkeit und Bevölkerungsdruck, von Klimawandel und Umweltzerstörung, von Diktatur und Bürgerkrieg, die sie treiben. Die allermeisten von ihnen finden Zuflucht in ihren Nachbarländern. Es sind die armen und ärmsten Länder, die die Hauptlast der Wanderungsbewegungen tragen. Nur höchstens ein bis zwei Prozent kommen z.B. nach Europa.
Menschen fliehen nicht nur vor unmittelbarer Verfolgung. Sie versuchen auch erdrückender Armut zu entkommen, sie sind auf der Suche nach besseren Lebensperspektiven, haben Ziele und Träume. In der Hoffnung auf ein besseres Leben geben sie skrupellosen Schleppern das oftmals vom ganzen Dorf zusammengelegte Geld, um dann auf maroden Booten die gefährliche Überfahrt übers Meer zu wagen, in der Hoffnung auf Europa. Ein Europa, das sie vielfach nicht will, das sich überfordert gibt, das Angst vor ihnen hat.
Offiziell fanden bereits in diesem Jahr mehr als 1400 Bootsflüchtlinge ihr nasses Grab im Mittelmeer. Es waren Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention, die Anspruch auf unseren Schutz hatten und es waren Menschen, die wir aus Seenot hätten retten müssen.
Wollen wir die Ursachen dafür verändern, dass Menschen aus purer Not unter Lebensgefahr Grenzen zu überwinden suchen, dann müssen wir aktiv dazu beitragen, dass die Menschen in ihrem Heimatland eine Chance haben. Eine Heimat, in der Arbeit, Gesundheit und Demokratie gute Lebensperspektiven für sie und ihre Familie eröffnen. Und sicherlich wollen wir solche wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse erreichen, in denen Flucht nicht notwendig wird.
Migration ist gesellschaftliche Normalität. Immer schon. Von den großen Völkerwanderungen quer über alle Kontinente bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts, als Millionen Europäer auswanderten, um Arbeitslosigkeit, Hunger und Armut zu entgehen. Viele Europäer fanden Aufnahme in den Zeiten von Verfolgung und Krieg. Das sollten wir nicht vergessen. Was uns Europäern recht war, sollten wir heute Menschen aus Afrika und anderen Kontinenten ebenfalls zubilligen.