VON CLEMENS POKORNY | 21.03.2012 13:55

Folter: Gezielte Zerstörung der Persönlichkeit

Folter ist international geächtet. Dennoch wird weltweit gequält – aktuell zum Beispiel in Syrien. Die Folgen für die Betroffenen sind dramatisch, denn nicht nur ihre Körper sind geschunden, sondern vor allem ihre Seelen – und sie bleiben es oft ein Leben lang.

In Jordanien hat die NGO Amnesty International in den vergangenen Monaten Dutzende syrische Flüchtlinge interviewt, die vor dem Assad-Regime und dem syrischen Bürgerkrieg geflohen waren. Am 14. März erschien nun ein Bericht der Organisation über ein schockierendes Ergebnis der Befragungen: In Syrien werden inhaftierte Oppositionelle offenbar systematisch gefoltert.

Von 31 Methoden der Tortur spricht Amnesty International. Schläge, Auspeitschungen, Elektroschocks und Vergewaltigungen – auch von Männern – nannten die Gequälten besonders häufig. Die Methoden haben sich dabei im Vergleich zu denen in vergangenen Jahrhunderten – etwa während der Inquisition – nicht nur technisch weiterentwickelt. Denn Folterer verfolgen heute andere Ziele: Statt durch größtmögliche Qualen schnell Informationen zu erlangen, wird Folter mittlerweile vor allem zur Zermürbung von Gefangenen eingesetzt. Oft sollen – wie in Syrien – Oppositionelle eingeschüchtert werden. Dazu wird mit eher leichten Folterungen begonnen und der Wille des Opfers schrittweise gebrochen. Oft erleben Folteropfer das Alleinsein nach der Quälerei als schlimmer denn die durchlebten Schmerzen selbst. Von der sogenannten „Weißen Folter“ abgesehen, die keine Spuren am Gequälten hinterlässt – zum Beispiel in Form von Schlafentzug oder Scheinhinrichtungen –, hat Folter zwar normalerweise auch körperliche Folgen. Doch während diese nach Ende der Torturen oft mit der Zeit verheilen, leiden die Betroffenen meist ihr Leben lang an den seelischen Verletzungen, die ihnen angetan wurden.

Die Zerstörung der Persönlichkeit von Folteropfern hat viele Facetten. Sie ähneln denjenigen von Hospitalismus-Patienten, also Menschen, die Isolationshaft erdulden mussten oder als Kinder vernachlässigt wurden: schnelle Ermüdung, Konzentrationsstörungen, Aufmerksamkeitsdefizite, unkontrollierbare Stimmungsschwankungen, permanente Anspannung, unwillkürliche Aggressivität, Angstzustände und Depressionen. Daher haben Gefolterte oft auch massive Probleme, mit anderen Menschen zu interagieren – die Folge: soziale Isolation und eine dementsprechende Verstärkung der psychischen Probleme. Dazu kommen psychosomatische Folgen wie Erschöpfungszustände und Schlafstörungen. Kurz: Wer einmal Folter erlitten hat, leidet über die körperlichen Qualen hinaus noch lange darunter.

Zwar ist Folter als Verletzung der Würde der Betroffenen seit 1984 durch die Anti-Folterkonvention der Vereinten Nationen (UN) international geächtet. Doch wenn das gezielte Zufügen physischen oder psychischen Leids von staatlicher Seite ausgeht, haben die UN keine Handhabe. Denn der zuständige UN-Ausschuss gegen Folter wertet nur Berichte aus, die von den Unterzeichnern der Konvention selbst eingereicht wurden – im Falle von Folter seitens der Obrigkeit müssten die Täter sich daher gleichsam selbst anzeigen. Staatlich legitimierte Folter gab und gibt es bekanntlich nicht nur in Syrien. Das US-Gefängnis im kubanischen Guantanamo ist ein berüchtigtes Beispiel für Folter als Verhörmethode, Israel wird immer wieder der Folter palästinensischer Gefangener bezichtigt. In Deutschland erregte 2004 der Fall des stellvertretenden Frankfurter Polizeipräsidenten Wolfgang Daschner Aufsehen. Er hatte angeordnet, dem Kindesentführer Magnus Gäfgen physische Gewaltanwendung anzudrohen, um zu erfahren, wo dieser den gekidnappten Jungen versteckt hielt. Für diese Anstiftung zu einer Straftat kam der Beamte Daschner mit einer Bewährungsstrafe und einer Versetzung davon.