VON ANGELA SCHWEIZER
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11.05.2015 14:21
Auf verlorenem Boden Land gewinnen: Die Bewegung der Landlosen in Brasilien
Seit 30 Jahren kämpft die Bewegung „Movimento dos Trabalhadores Rurais Sem Terra“ in Brasilien für eine radikale Landreform. Trotz Kriminalisierung und Marginalisierung erzielten sie beachtliche Erfolge und sicherten die Existenz von hunderttausenden Landlosen in Brasilien. Im Jahre 1991 wurden sie für ihr Engagement mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet.
In Brasilien besitzen die reichsten 10% der Bevölkerung rund 80% des Landes. Demnach kommen auf 20 Personen, die Großgrund besitzen, etwa 20 Millionen Hektar Land. Die gleiche Fläche Land teilen sich etwa 3,3 Millionen der armen kleinbäuerlichen Familien. Die Großgrundflächen werden oft nicht bewirtschaftet, da es häufig reine Spekulationsobjekte sind. Diese extrem ungleiche Verteilung führte bereits in der Vergangenheit häufig zu Konflikten. Bis heute werden diese oft gewaltsam von Militär oder anderen staatlichen Repressionsinstrumenten niedergedrückt. Die Großgrundbesitzerinnen und –besitzer setzen zur Durchsetzung ihrer Interessen sogar Privatmilizen ein, die auch vor Auftragsmorden nicht zurückschrecken.
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Die Geschichte der Landarbeiter ohne Boden
Die Geschichte der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheit in Brasilien lässt sich bis zu der „
Entdeckung“ des Landes durch Portugal und die jahrhundertelange Kolonisierung zurückverfolgen. Durch Modernisierungsmaßnahmen in den 1970er Jahren entstanden agroindustrielle Großgrundbetriebe, die zu der heutigen extremen Ungleichverteilung führten, da die Menschen, die das Land bearbeiteten, durch die Mechanisierung ihre Arbeitsstellen verloren. Daher organisierten sich vor 30 Jahren die sogenannten Landarbeiter ohne Boden, portugiesisch „Movimento dos Trabalhadores Rurais Sem Terra“, kurz MST. Mitunter durch die Abschaffung der Militärdiktatur in Brasilien und die Demokratisierung stieg die MST schnell zu einer gesamtgesellschaftlichen sozialen Bewegung auf. Die geschätzten 1,5 Millionen Mitglieder sind heute bereits in 23 von 27 brasilianischen Staatsteilen vertreten.
Für soziale Gerechtigkeit, Gewaltlosigkeit und ein nachhaltiges sozio-ökonomisches Lebensmodell
Die Landlosen zeichnen sich vor allem durch ihren Aktionismus aus. Seit 1985 besetzen sie ungenutztes oder gesetzeswidrig bewirtschaftetes Land. Gesetzeswidrig wird ein Land bewirtschaftet, wenn die Löhne die gezahlt werden zu niedrig sind oder Umwelt- und andere Rechte missachtet werden, oder wenn umweltschädliche Techniken angewandt werden. Durch die Besetzung will die Bewegung staatliche Institutionen unter Druck setzen und zum Handeln bewegen, um in Gerichtsprozessen die Unrechtmäßigkeit des Landbesitzes aufzudecken und eine Umverteilung zu erzielen. Auf dem besetzten Land errichten sie acampamentos (Camps), die nach erfolgreich geführten Verhandlungen in assentamentos (Siedlungen) verwandelt werden, in denen sich die Landlosen dauerhaft niederlassen. Trotz der zähen, mühsamen und oft erfolglosen Prozesse konnten sie bisher
für über 400.000 landlose Familien offizielle Landtitel in über 2.000 assentamentos erstreiten. Eine ebenso hohe Zahl an Familien warten derzeit noch auf die Anerkennung ihrer Landtitel.
Die Bewegung legt großen Wert auf kooperative Bauernhöfe, Schulen und gemeinsame Bildungseinrichtungen, die in den assentamentos errichtet werden. Für Ihre Zusammenarbeit mit der Commisão Pastoral Da Terra, der Bischöflichen Kommission der Katholischen Kirche in Brasilien, bekamen sie im Jahre 1991 den Right Livelihood Award. Ausgezeichnet wurden sie neben ihrer Beratung in Landkonflikten und ihrer Bemühungen um Landreformen für die Entwicklung eines nachhaltigen sozio-ökonomischen Lebensmodells. Außerdem gehören Respekt für die indigene Bevölkerung sowie Geschlechtergerechtigkeit und hier insbesondere die Stärkung von Frauenrechten zu den Leitbildern der Bewegung der Landlosen.