VON RICHARD KEHL | 29.10.2010 13:37

Schiefergas

Energie-Allheilmittel oder Fiktion?

In Deutschland - in Nordrhein Westfalen und Niedersachsen - schlummert ein riesiges Vorkommen an Gas, genauer gesagt an Schiefergas. Die Bergung dieses Rohstoffes kann nicht nur neue Energien an den Tag bringen, sondern birgt auch Gefahren für die Umwelt. Mit neuer Bergungstechnik soll dieses Risiko minimiert werden.

Der Konzern Exxon Mobil hat ein Pilotprojekt in Niedersachen zur Förderung von Schiefergas gestartet. Bei Schiefergas handelt es sich, im Gegensatz zu Erdgas, nicht um eine unterirdische Gasblase, sondern um Gasporen, die in einer dicken Schieferschicht im Gestein versteckt sind. Die Förderung war bisher sehr schwer: Das Gestein musste horizontal durchbohrt und mit Wasserdruck und Chemikalien aufgesprengt werden. Das führt zu enormen Umweltbelastungen, Gas kann austreten und die Chemikalien das Grundwasser verseuchen, Natur- Landschaften werden zu quaderartigen Industrie und Förderungsanlagen umgewandelt. Fälle, bei denen genau das passiert ist, gibt es genügend in den USA, den Staaten Texas und Pennsylvania. Hier wird Schiefergas schon seit Jahren massiv gefördert und deckt einen Großteil der Gasversorgung der USA ab. Im Gegensatz zur Erdgasförderung ist Schiefergas-Abbau mit enormen Umweltbelastungen verbunden.

Das bremst jedoch keinesfalls die Gaseuphorie. Mit neuen Techniken, sollen diese Risiken und unerwünschten Nebenwirkungen den Garaus gemacht werden. Fördertürme in Niedersachsen sind keine Seltenheit mehr und fördern jährlich mehr als 13 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Das deckt rund 90 Prozent der deutschen Eigenproduktion ab. Auch ein erster Schiefergas-Bohrturm ist in der Gemeinde Niedernwöhren in Niedersachsen zu finden. In 1000 Meter unter der Erde wird hier nach Schiefergas gesucht.

Eine neue Technik, mit der gezieltes Bohren nach Schiefergas in allen Richtungen möglich ist, soll zu einer ertragreicheren und humanen Erdgasförderung von Schiefergas beitragen, die Umwelt damit geschont werden. Während die Suche nach Schiefergas in Europa gerade erst begonnen hat, strömt es in Texas schon aus mehr als 6000 Löchern. Nach wie vor ist die Förderung mit enormen Umweltbelastungen und Kosten verbunden, so dass es fraglich ist ob sich eine "Massenförderung" im Stil wie sie die USA betreibt in der EU in Frage kommt.

In Europa gelten weitaus strengere Umweltrichtlinien als in den USA. Nach wie vor sind Risiken und Belastungen für die Umwelt vorhanden. Der Wasserverbrauch pro Bohrung liegt bei 10 bis 24 Millionen Liter; krebserregende und andere lebensgefährliche Stoffe werden dabei freigesetzt, Trink- und Grundwasser verseucht werden: Damit sich die Schieferspalten nicht wieder schließen, ist das Wasser mit zahllosen Chemikalien, Bioziden und Sand angereichert. Zudem ist Deutschland viel dichter besiedelt, flächendeckende Bohrungen nach Schiefergas kämen der der Verwüstung und Zerstörung ganzer Landstriche gleich.

So setzte auch in den USA der Förderboom von Schiefergas erst ein, als 2005 die Umweltgesetze zugunsten der Energieunternehmen gelockert wurden. In der Europäischen Union (EU) ist dieser Schritt kaum denkbar. Derzeit laufen lediglich sieben Testprojekte zur Erschließung von Schiefergas. Ihr Förderpotenzial erreicht nicht einmal ein Promille der europaweiten Gasförderung. Ob sich Schiefergas angesichts des hohen technischen Aufwandes, geringer Förderraten und hoher Umweltkosten in der EU durchsetzen kann, ist fraglich. Allein in den USA gilt Schiefergas derzeit als wichtiger Baustein in der Energiepolitik. Bis 2030 soll die Förderung hier 3-5 Mal so hoch sein.