VON CLEMENS POKORNY
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11.01.2013 16:20
Ich gründe eine Partei!
Die Piratenpartei hat es in den gut sechs Jahren seit ihrer Gründung in vier Landtage geschafft. Wer wie die Piraten mit einer neuen Partei Politik machen will, muss viel Arbeit investieren und hohe rechtliche Hürden nehmen.
Berlin, 18. September 2011: Gut fünf Jahre nach ihrer Gründung zieht die Piratenpartei mit einem Stimmenanteil von 8,9% ins Berliner Abgeordnetenhaus ein. In der Folge beschäftigen sich die Medien bundesweit monatelang mit dem Phänomen „Klarmachen zum Ändern!“, in Umfragen kommt die Partei im Frühjahr 2012 deutschlandweit auf eine Zustimmung von bis zu 13%. Gleichzeitig wird von vielen Seiten die Kompetenz der Polit-Neulinge angezweifelt. Da stellt sich die Frage: Wie geht das eigentlich, eine Partei gründen – und sie wie die Freibeuter zu Erfolgen bei Wahlen führen?
Das sollte man kennen:
Die Grundrechte garantieren Staatsbürgerinnen und Staatsbürger eines Landes ein geregeltes und sicheres Miteinander.
[...]»
Als sogenannte
Parteiendemokratie ist die Bundesrepublik auf die Gestaltung der Politik durch Parteien angewiesen. Die ersten beiden Sätze von Artikel 21, Absatz 1 des
Grundgesetzes lauten: „Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei.“ Die Freiheit der Gründung unterliegt jedoch gewissen Beschränkungen. Nach § 2 des
Parteiengesetzes müssen einer politischen Partei beispielsweise genügend Personen angehören, um die Ernsthaftigkeit ihrer Zielsetzung zu gewährleisten. Wie viele das im Zweifelsfalle sind, bleibt jedoch der Judikative überlassen: 55 Mitglieder waren einem deutschen Gericht zu wenig, dagegen durfte eine Partei mit 270 Mitgliedern zur Bundestagswahl antreten – obwohl sie damit natürlich keine Chance hatte, in den Reichstag einzuziehen, ihre Ernsthaftigkeit also durchaus in Zweifel hätte gezogen werden können. Wer eine Partei gründen möchte, fängt am besten erst einmal mit einer
Wählergruppe (auch Politische Vereinigung) an, wie es unter anderem bei der heute etablierten Partei Bündnis 90/Die Grünen der Fall war. Wählergruppen wie die insbesondere in Bayern starken Freien Wähler können an allen politischen Wahlen außer Bundestagswahlen, sogar an Europawahlen teilnehmen. Für ihre Gründung gelten je nach Bundesland unterschiedliche gesetzliche Vorgaben. Im Allgemeinen müssen sie ihre rechtmäßige Gründung beweisen, eine ordnungsgemäße Satzung haben und nachweisen, dass ihr Vorstand nach demokratischen Grundsätzen bestellt wurde.
Ist eine Wählergruppe stark genug, um in eine Partei überführt zu werden, sollte sie sich um die Ausarbeitung eines Programms und einer Satzung bemühen, da diese dem
Bundeswahlleiter nach Gründung der Partei zusammen mit den Namen der Vorstandsmitglieder von Bundespartei und Landesverbänden unter Angabe ihrer Funktionen mitgeteilt werden müssen. Die Ernsthaftigkeit in den Bemühungen um die „politische [...] Willensbildung des Volkes“ muss ferner dadurch nachgewiesen werden, dass die Partei mindestens einmal binnen sechs Jahren an einer Bundes- oder Landtagswahl teilnimmt. Derzeit erfüllen
65 Parteien die vielfältigen Voraussetzungen, um ihren rechtlichen Status zu halten.
Auf Bundesebene sind bekanntlich nur vier bis sechs von ihnen erfolgreich. Seit dem Aufstieg der Grünen in den 1980er-Jahren von einer Wählergruppe zur bundesweit vertretenen Kraft hat es keine völlig neue Partei mehr geschafft, sich dauerhaft in der politischen Landschaft der Bundesrepublik zu behaupten: die LINKE stützte sich bei ihrer Gründung im Jahr 2007 auf ihre Vorgängerparteien WASG und PDS und damit letztlich teilweise auf die DDR-Staatspartei SED. Selbst die Piratenpartei entstand 2006 nicht aus dem Nichts, konnte und kann sie sich doch der Unterstützung des im gleichen Jahr gegründeten internationalen Zusammenschlusses Pirate Parties International und besonders der schwedischen Piratenpartei verlassen, die – ebenfalls 2006 gegründet – schon 2009 ins Europaparlament einzog. Doch nachdem die Piraten laut repräsentativen Umfragen mittlerweile die 5%-Hürde reißen würden, bleibt abzuwarten, ob sie sich dauerhaft und bundesweit als sechste große politische Kraft etablieren können.