VON MATTHIAS MEIER | 06.04.2011 07:48

Freiwilliges Soziales Jahr bei God's Golden Acre in Südafrika

Nachdem ich jetzt seit wenigen Wochen wieder in Deutschland zurück bin, kommt mir doch alles noch etwas komisch vor. Es ist als wäre ich wieder in eine andere Welt zurückgekommen.

Während der letzten zwölf Monate hat sich soviel verändert, besonders ich mich selbst. Das habe ich aber erst richtig realisiert, wie ich meine Familie, Freunde und Verwandten hier wieder gesehen und mit ihnen gesprochen habe. Bei uns in Deutschland ist alles so geplant und abgesichert. In Südafrika war die ganze Situation etwas anders.

Die Anfangszeit meines FSJ's auf GGA war nicht immer einfach und auch zum Schluss hin gab es öfters mal Momente, wo ich lieber woanders sein hätte wollen. Aber genau das macht das Jahr, die Arbeit, die Erfahrung… und noch vieles mehr aus. Im Nachhinein kann ich über bestimmte Dinge einfach nur lachen, besonders über das Jammern in Deutschland. Viele Menschen wissen gar nicht, wie gut es uns eigentlich hier geht. Wir haben alles, von einem gefüllten Kühlschrank bis zu einem Auto und sogar Geld, um irgendwo auch mal eine Woche Urlaub zu machen. Dort unten in Südafrika habe ich mit den Ärmsten zusammengearbeitet und versucht, durch mein Wirken ein bisschen was zu ändern oder zumindest den Menschen dort ein Gefühl zu geben, dass ihnen jemand helfen will. Es gab viele prägende Momente, wo ich mir dachte, kann das sein? Wir leben doch alle auf dem gleichen Planeten, warum kann es nicht überall möglich sein, dass Kinder zur Schule gehen können oder wenigstens genug zum Essen haben und nicht hungern müssen. Was ist das für eine Welt? Warum denkt keiner an die Leute, die dort unten verhungern? Denken vielleicht schon, aber meist nicht tätig werden, das ist der Haken.

Die deutsche Konsumgesellschaft ist geprägt von einem überhöhtem Sicherheitsbedürfnis, Großkotzigkeit und einer „Immer-mehr-wollen“ Einstellung. Was bringt uns das für die Zukunft, wenn wir diesen Reichtum, den wir alle besitzen, nicht respektieren können? Bzw. die Ärmeren etwas daran teilhaben lassen können? Was nützt uns Geld, wenn wir nicht glücklich sind? In Südafrika verdienen relativ viele Menschen sehr wenig und sind trotzdem glücklich, haben immer ein Lächeln auf den Lippen oder sind für ein Späßchen zu haben. Was ist das, was unsere Gesellschaft Stück für Stück zerstört? Man müsste ja eigentlich meinen, dass die Leute traurig und frustriert sein müssten, wenn - um nur mal kurz ein kleines Beispiel zu nennen - beispielsweise alle paar Wochen ein Angehöriger stirbt oder ein Arbeiter im Monat 1.000 Rand (rund 100 Euro) verdient und dabei noch sechs Kinder und eine Großmutter ernähren muss. Da ist es ja eigentlich logisch, dass in diesem Budget kein Geld für Schule, geschweige denn Bildung vorgesehen ist, oder?

Ohne eine Grundbildung, was auch Lesen und Schreiben bedeutet, hat man auch kaum Möglichkeiten, auf irgendeine Art und Weise z.B. staatliche Förderprogramme nutzen zu können. Wie soll man in der Lage sein, das nötige Amt in der Stadt zu finden und die entsprechenden Formulare auszufüllen? Es stellen sich Fragen über Fragen nach so einem Jahr und trotz alledem ist man nach ein paar Wochen zurück in Deutschland schon wieder ziemlich gut in der deutschen Gesellschaft eingelebt. Ich denke noch jeden Tag mehrere Male an meine Zeit unten in Südafrika auf GGA. Es gab immer viel zu tun und war nicht immer leicht, aber es war eine gute, sinnvolle Arbeit, welche den Leuten etwas bringt.

Ich bin froh, diesen Schritt gewagt zu haben, auch wenn ein gewisses Risiko bestand und auch immer bestehen wird. Diese Ungewissheit, einfach alles zu Hause zurückzulassen. Für ein Jahr keine Familie, Freunde oder Verwandte um mich. Es schossen mir tausend Gedanken durch den Kopf, wie ich im September 2006 auf dem Weg zum Frankfurter Flughafen war. Was erwartet mich? Welche Arbeiten werde ich erledigen? Wie sind die anderen Freiwilligen? Wie sieht es mit der Kriminalität und möglichen Krankheiten aus? Man denkt viel und weiß doch nicht so richtig was man letztendlich bekommen wird. Es ist wie ein großes langes Abenteuer, verbunden mit viel und sinnvoller Arbeit, gespickt mit diversen Risiken und einer Menge Spaß. Jetzt bin ich wieder zurück und jetzt geht mein Leben erstmal hier in Deutschland weiter, aber was ist mit den Leuten, die ich in Südafrika kennen gelernt habe, mit denen ich ein Jahr lang zusammengearbeitet habe… die lasse ich einfach zurück?

Nun bin ich zurück und besuche seit einigen Tagen bereits die Berufsoberschule in Neumarkt. Das ist eine gewaltige Umstellung, wieder die Schulbank zu drücken. Ich hoffe bald wieder nach Afrika zu kommen. Viele meinten, dass ich ja gar nicht braun geworden sei; vielleicht nicht rein äußerlich, aber seelisch auf jeden Fall.

Es wird noch ein bisschen dauern, bis ich all die Dinge verzehrt habe, die ich während der ganzen letzten Zeit, also sprich dem letzten Jahr, erfahren habe. Bericht vom September 2007.

Mehr über Matthias und seine Zeit in Südafrika erfahrt ihr auf seiner Website.