VON CHARLOTTE MEYER | 27.05.2015 17:02

Das Komitee der Soldatenmütter Russlands

Die Soldatenmütter haben in Russland viel Einfluss. Ihnen ist es zu verdanken, dass sich die Bedingungen des Wehrdienstes in Russland verbessert haben, während des Tschetschenienkriegs Kriegsgefangene freigelassen wurden und der Zivildienst in Russland an Verbreitung erfährt. 1996 erhielten sie für ihr Engagement den Right Livelihood Award. Doch auch sie werden wie andere Nichtregierungsorganisationen zunehmend vom russischen Staat in ihrer Arbeit begrenzt. UNI.DE berichtet.




Studierende Soldaten gaben den Anstoß

Die Bewegung der Soldatenmütter Russlands begann 1989 und setzte sich damals hauptsächlich dafür ein, dass männliche Studenten früher als üblich vom Wehrdienst zurückkehren konnten, um ihr Studium fortzusetzen. Das Engagement der Soldatenmütter beschränkte sich zu der Zeit nur auf ihre eigenen Söhne. Der Grund für ihr Wirken war die Tatsache, dass zwischen 1988 und 1989 in der Sowjetunion Studenten quasi direkt aus dem Hörsaal zum Wehrdienst eingezogen wurden. Die Arbeit der Soldatenmütter bewirkte im Folgenden, dass Studenten entgegen dem Gesetz bis zu einem Jahr früher vom Armeedienst zurückkamen, um ihr Studium fortzusetzen. Die Rückkehr der Söhne brachte allerdings unerträgliche Neuigkeiten mit sich. Sie berichteten von Misshandlungen, schlechter Nahrungsversorgung, sklavischen Bedingungen in Konstruktionsbataillonen und von vielen unerklärlichen Todesfällen von Soldaten in friedlichen Zeiten. Diese beklemmenden Nachrichten gaben in der Folge den Anlass, das Engagement auch auf die nicht-studierenden Soldaten und die Eltern von verstorbenen Soldaten auszuweiten. So gründete sich 1990 die GmbH „Komitee der Soldatenmütter Russlands“, die 1991 im Justizministerium der neu gegründeten Russischen Föderation staatlich registriert wurde. Seitdem setzt sich das Komitee für den Schutz von Soldaten und die Wahrung der Menschenwürde ein.

Der Kampf nach dem Krieg: Soldaten zurück in der Heimat

Tschetschenienkrieg einschneidendes Erlebnis

Das Ende der friedlichen Zeiten kam für die Soldatenmütter mit dem Beginn des Tschetschenienkriegs 1994. Sie setzten sich dem Konflikt von Anfang an entgegen, weil er Gefahr nicht nur für ihre Söhne, sondern auch für die junge, russische Demokratie barg. In dieser Zeit bildeten die Soldatenmütter eine Anlaufstelle für Beschwerden von Soldaten und deren Eltern, überwachten die militärische Einheit zur Rehabilitation von so genannten Deserteuren und nahmen an Arbeitsgruppen des russischen Parlaments, der Staats-Duma, teil. Auf diese Weise erreichten sie im ersten halben Jahr des Tschetschenienkriegs täglich bis zu 200 Briefe und fast 10.000 Menschen brachten ihre Beschwerden persönlich vor. Die Soldatenmütter organisierten zudem den ‚Marsch des mütterlichen Mitgefühls‘, bei dem Mütter auf der Strecke von Moskau in die tschetschenische Hauptstadt Grosny marschierten, um ihre Söhne aus dem Krieg zu holen. Sie verhandelten vor Ort mit der tschetschenischen Armee und erreichten durch ihr Engagement die Auslieferung von Kriegsgefangenen. Sie forderten zudem die russische Regierung heraus, indem sie bei ihr Stellungnahmen und Petitionen gegen den Krieg vorbrachten und sich für junge Männer einsetzten, die den Kriegsdienst in Tschetschenien verweigerten. Auch bei Müttern von Soldaten warben sie für die Unterstützung der Kriegsdienstverweigerung. Für dieses außerordentliche Engagement im Rahmen des Tschetschenienkrieges verlieh die Jury des Right Livelihood Awards den Soldatenmüttern den Preis 1996. Doch auch über den Tschetschenienkrieg hinaus engagieren sich die Soldatenmütter für einen fairen Armeedienst und forderten Ende der 90er Jahre sogar eine Abschaffung der Wehrpflicht, die ihrer Ansicht nach die Armee zu einer Quelle von Bedrohung für Menschen und Gesellschaft mache. Heute spricht man im Ausland hauptsächlich von der Union der Komitees der Soldatenmütter Russlands, die sich 1998 als Alternative zum Komitee der Soldatenmütter als staatlich unabhängige Dachorganisation der regionalen Soldatenmütterorganisationen gegründet hat. Als Nichtregierungsorganisation sind sie im Gegensatz zum Komitee in der Lage, Finanzierung aus dem Ausland zu erhalten und sind nicht auf Unterstützung des russischen Staats angewiesen. Auf diese Weise fallen sie auch wie andere Nichtregierungsorganisationen unter das russische Gesetz ausländischer Agenten, das 2012 verabschiedet wurde und ihre Arbeit als Auftragsarbeit anderer Nationen deklariert. Aber dies steht auf einem anderen Blatt. Die Frage ist, ob unter gegebenen Umständen ein Engagement wie im Rahmen des Tschetschenienkriegs aktuell und künftig möglich sein wird. Im Ausland zumindest scheinen wir darauf zu hoffen.