VON NORA GRAF | 26.12.2014 14:46

Der Kampf nach dem Krieg: Soldaten zurück in der Heimat

In diesen Tagen sollen die letzten deutschen NATO-Soldaten aus Afghanistan zurück nach Deutschland kommen. Diese Nachrichten werden vom Großteil der Bevölkerung zur Kenntnis genommen, eine kurze Meldung scheint aber genug zu sein. Für die meisten ist dieser Krieg zu weit weg, meist auch zu abstrakt. Viele Deutsche möchten sich auch nicht weiter mit dem Thema Krieg und seinen Auswirkungen in Deutschland auseinander setzen. Die Soldaten aber erleben schreckliche Dinge, das Schwierigste bei der Rückkehr ist oft das Wiedereinfinden in die Gesellschaft.


Wenn die Soldaten aus Krisengebieten zurück kommen, ist der Krieg für sie oft noch nicht zu Ende. Denn sie leiden unter den schrecklichen Erlebnissen, die sie im Einsatz machen mussten, an den Gedanken an gefallene Kameraden, aber auch getötete Gegner. Die Bilder sind stets präsent, bei bestimmten Geräuschen fühlen sich die Soldaten wieder in einen Kampf zurück versetzt und suchen Deckung vor feindlichen Kugeln – solche Erinnerung, sog. Flashbacks, kommen ganz plötzlich, aus dem Nichts. Auch nächtliche Albträume sind die Regel. Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) nennen das die Psychologen. Infolgedessen haben die Heimgekehrten oft Probleme damit, sich in das gesellschaftliche Gefüge zu integrieren, das heißt vor allem ihre Aggression und Wut, die ohne Vorwarnung auftreten können, zu kontrollieren. Auch für die Familie oder Freunde stellt das eine große Belastung dar, da es den jungen Soldaten schwer fällt, persönliche Beziehungen aufzubauen. Ohne psychologische Hilfe sind diese Störungen kaum in den Griff zu bekommen.

Wenn es keinen anderen Ausweg gibt

Überdies herrscht Wut bei den Soldaten. Wut etwa, wenn ein traumatisierter Soldat nicht mehr arbeitsfähig ist und um Unterstützung vonseiten der Bundeswehr kämpfen muss. Denn da ein seelisch verwundeter Soldat keine sichtbaren Verletzungen vorzuweisen hat, muss er zum Teil um Unterstützung bangen und hoffen, dass ihm nicht der finanzielle Ruin droht. Anträge der Soldaten auf Wehrdienstbeschädigungen, die zu staatlicher Fürsorge berechtigen, werden oft abgelehnt, aus Angst der Bundeswehr vor Simulanten, die sich so Geld erschleichen wollen. In jedem Fall dauern diese Antragsprüfungen auch schon mal Jahre, in denen die Soldaten von einem Arzt zum anderen rennen. Die Betroffenen ziehen sich zurück und werden zu depressiven, aggressiven und ängstlichen Menschen.

Dazu kommt die Wut über das Desinteresse der Politik und der Gesellschaft. Soldaten werden als Mörder beschimpft und der Soldatenberuf als unethisch bezeichnet. Eine neue Studie – veröffentlicht in dem Buch „Operation Heimkehr“ – hat 74 Soldaten befragt, um zu zeigen, wie es diesen zurück in Deutschland ergeht. Als großes Problem stellte es sich für viele Soldaten dar, sich wieder im Alltag ohne bestimmte Struktur zurecht zu finden. Doch was viele hilflos werden lässt, ist die Tatsache, dass sie sich darüber hinaus auch noch ständig über ihren Einsatz und Engagement rechtfertigen müssen. Das mag vielleicht an der Skepsis vieler Deutscher gegenüber jeglicher Form von Kriegseinsätzen liegen, aber auch an der mangelnden, ehrlichen Auseinandersetzung mit dem sensiblen Thema.

Viele Soldaten, die nach einem Kriegseinsatz wieder ihren Dienst aufnahmen, fühlten sich durch die Ereignisse in den Einsatzgebieten nicht belastet. Im Gegenteil: Sie empfanden sich als selbstbewusster. Ihnen machte vielmehr nach ihrer Rückkehr die Wochenendpendelei, das schlechte Betriebsklima, der Leistungsdruck und die Unsicherheit des Arbeitsplatzes durch die Bundeswehrreform zu schaffen. Diejenigen jedoch, die traumatisiert und depressiv in Deutschland ankommen, dürfen nicht auf der Strecke bleiben. Für sie ist vor allem schnelle Hilfe wichtig und eine offene, ehrliche Beschäftigung mit diesem Thema. Denn nur so kann verhindert werden, dass die Lage so brisant wie in den USA wird: Dort sieht man mittlerweile in den Selbstmorden der Soldaten eines der dringendsten Probleme der Zeit.