VON MAXIMILIAN REICHLIN | 20.03.2015 14:16

China unter der Glocke – Dokumentarfilm macht auf Smog-Problem aufmerksam

Der anhaltende Smog in den dichter besiedelten Provinzen Chinas wird für Umwelt und Bevölkerung immer mehr zum Problem. Wie weitreichend die Folgen der zunehmenden Luftverschmutzung sind, zeigt der aufsehenerregende Dokumentarfilm „Qiong Ding Zhi Xia“ („Unter der Glocke“), der allerdings schon kurz nach seinem Erscheinen im Februar von der Regierung gesperrt wurde, um den „sozialen Frieden“ nicht zu bedrohen. Dennoch wolle man in der Politik weiter für den Umweltschutz eintreten, etwa mit neuen Gesetzesentwürfen und höheren Bußgeldern für Umweltsünden. UNI.DE berichtet.

Über 150 Millionen Menschen hatten in China den Dokumentarfilm „Unter der Glocke“ von Chai Jing am ersten Tag angeklickt. Die ehemalige Fernsehmoderatorin berichtet darin von ihrem persönlichen Kampf gegen die anhaltende Luftverschmutzung durch Smog in und um die Metropolen des Landes, vom Schicksal ihrer Tochter, die mit einem gutartigen Tumor zur Welt gekommen war. Möglich, dass der Smog die Erkrankung ausgelöst hat. Der Film löste online eine rege Debatte aus und auch der frischgebackene Umweltminister Chen Jining, der erst einen Tag zuvor sein Amt angetreten hatte, lobte die Botschaft der Dokumentation.

Gegen den Klimawandel: Boykott der fossilen Energieträger

Dann jedoch nahm die chinesische Regierung eine Kehrtwende vor: Einen Tag vor dem Beginn der jährlichen Jahressitzung des Volkskongresses untersagte die Propagandabehörde jede Berichterstattung über den Film und seine Macherin. Knapp eine Woche nach seiner Veröffentlichung konnte „Unter der Glocke“ auf keiner der bekannten Videoplattformen mehr angesehen werden. Jining sprach auf einer Pressekonferenz von der Bedrohung des „sozialen Friedens“, die der Unmut über den Smog verursache. Gleichzeitig forderte der Minister allerdings strengere Umweltschutzgesetze und kündigte stärkere internationale Zusammenarbeit an.

Auch Chinas Präsident Xi Jinping sagte dem Smog und der Umweltverschmutzung während der Parlamentssitzung erneut den Kampf an. Neue Gesetzesentwürfe sollen es künftig möglich machen, Umweltsünden mit Geldbußen von umgerechnet über 100.000 Euro zu belegen oder besonders emissionsintensive Fabriken zu schließen, wie die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete. Aktuell sind die Verhältnisse noch verheerend: Über 90% der chinesischen Städte übersteigen die Grenzwerte für die jährliche Luftverschmutzung. Die Belastungen für Umwelt und Gesundheit durch den Smog sind enorm.

Ein Grund dafür ist Chinas aufstrebende Industrie, vor allem die Energiekonzerne. Sie gehören, neben dem Straßenverkehr der Städte, zum Kern des Smog-Problems. Noch gewinnt China rund 75% seiner Energie aus schmutzigen Kohlekraftwerken. Diese Missstände sollen nun allerdings in großem Stil angegangen werden. Wo sich die chinesische Regierung zuvor in internationalen Gesprächen noch gegen die Mitverantwortung des weltweiten Klimawandels verwehrte, signalisierte Präsident Jinping nun in einer gemeinsamen Erklärung mit US-Präsident Obama auf einem Gipfel der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) eine neue Haltung.

Bis 2030 soll China nicht nur den eigenen CO2-Ausstoß verringern, sondern auch der Anteil an erneuerbaren Energien auf 20% beinahe verdoppeln. Projekte wie Solar- und Windparks sind dafür bereits in Planung. Außerdem wurden in vielen Provinzen Pilotprojekte zur Schaffung eines flächendeckenden Netzes von Ladestationen für Elektrofahrzeuge gestartet. Die staatlichen Stromkonzerne wollen so zur Weiterentwicklung der schadstoffarmen Elektroautos anregen und eine Infrastruktur schaffen, die nicht mehr auf fossile Brennstoffe angewiesen ist. China-Expertin Isabel Hilton sieht aber vor allem die Bürgerinnen und Bürger Chinas in der Pflicht. Diese seien zwar durch den nun zensierten Dokumentarfilm „wachgerüttelt“ worden, noch könne man allerdings nicht sagen, welche Auswirkungen der Film auf Bevölkerung und Regierung haben wird.