VON CLEMENS POKORNY | 09.11.2015 15:11

Bauer sucht Feld - über die Organisation „Terre de Liens“

Die industrielle Landwirtschaft zerstört und vergiftet unsere Natur im Namen des Preisdiktats. Doch die Spirale von Bauernsterben und immer höheren Preisen für Ackerland können Einzelne kaum durchbrechen. In Frankreich gibt es daher seit über zehn Jahren eine Initiative, die kleinbäuerliche, kooperative Strukturen fördert. Ihr Ziel: Aufgegebene Höfe aufzukaufen, um regionale, ökologische Erzeugung zu fördern.

25% minus. Das ist die Bilanz der Zahlen französischer Bauernhöfe in den zehn Jahren zwischen 2001 und 2011. In anderen EU-Ländern sieht es ähnlich aus. Diese Entwicklung hängt unmittelbar mit den Veränderungen zusammen, mit denen die Bauern in den vergangenen Jahrzehnten konfrontiert waren.

Die Industrialisierung der Landwirtschaft hat schon bald nach dem 2. Weltkrieg begonnen, das Aussehen der Felder und Äcker zu verändern – immer größer und monotoner wurden sie, immer größer auch die Maschinen, mit denen sie bearbeitet wurden und werden. In den 1970er-Jahren beseitigte die Flurbereinigung vielerorts die beim Pflügen und Ernten lästigen Raine und Gehölze zwischen den Feldern, die bis dato Schädlingsvertilgern wie Igeln und Vögeln eine Heimat geboten hatten. Folge: Immer mehr Pestizide mussten zum Einsatz kommen. Bächen wurde kein Platz mehr nach links und rechts gelassen, indem die Felder bis direkt an den Gewässerrand gezogen wurden; den fehlenden seitlichen Platz fanden die Bäche in der Tiefe: Sie gruben sich immer mehr in den Boden ein und der Grundwasserspiegel sank, dem Boden ging das Wasser aus.

Debatte um Glyphosat-Verbot

Schlimme Folgen blieben auch bei den Landwirten selbst nicht aus: Wer nicht mit dem vermeintlichen Fortschritt mithalten konnte oder wollte, den zwang der Preiskampf in die Knie – bis heute. Da muss etwas passieren, sagten sich verantwortungsbewusste Menschen schon in den 1980er-Jahren – die Idee des ökologischen Landbaus war geboren. Heute wächst die Nachfrage nach Bio-Produkten schneller als die nötigen Anbauflächen. Ideale Bedingungen eigentlich für den Umstieg konventionell wirtschaftender Bauern auf Öko-Produktion – doch der ist teuer und riskant. Viele prinzipiell Umsteigewillige haben schon derart abgewirtschaftet, dass die Aufgabe des Betriebes unumgänglich wird. Eine Chance für Aussteiger und junge Großstädter, die zurück zur Natur wollen? Solche „neorurals“, wie sie in Frankreich genannt werden, gibt es durchaus – doch auch sie stehen vor finanziellen Problemen.

Wird ein Hof aufgegeben, versuchen seine Eigentümer natürlich, ihn bestbietend zu verkaufen. Den Zuschlag erhält dann meist ein zahlungskräftiger Großbauer aus der Nachbarschaft. So wird der Boden immer mehr in den Händen weniger industriell wirtschaftender Landwirte konzentriert, mit den bekannten Folgen tendenzieller Monopolbildung. Doch in Frankreich gibt es seit einigen Jahren eine Gegenbewegung.

Die Organisation „Terre de Liens“ (sprich: ter dö liã), zu deutsch etwa: „Land der freundschaftlichen Bande“, hilft seit 2003 Neulingen in der Landwirtschaft, den Einstieg zu schaffen. Ihre Prinzipien lauten: gemeinsames Handeln, Respekt, Solidarität und Willensfreiheit. Menschen, die gerne biologisch wirtschaften würden, bietet Terre des Liens ein beratendes und unterstützendes Netzwerk. Vor allem aber kauft sie von Spenden und der Ausgabe von aktienähnlichen, nicht-gewinnorientierten Anteilen aufgegebene Höfe und verpachtet sie an die Neubauern. Im Geiste der „Solidarischen Landwirtschaft“ werden dabei bevorzugt Projekte gefördert, an denen ein Kollektiv beteiligt ist (und nicht nur z.B. ein Ehepaar). Solcherart Unterstützung brauchen die neuen Landwirte, denn Banken gewähren in Zeiten des Bauernsterbens Anfängern kaum einen Kredit, und von der Politik kommt ebenfalls kaum Unterstützung.

Die Arbeit von Terre des Liens hat bereits Früchte getragen, die sich sehen lassen können: 120 Höfe mit 2.400 Hektar Land wurden bereits erworben, jährlich werden 200 künftige Bäuerinnen und Bauern unterstützt, insgesamt sind ungefähr 12.000 Menschen als Aktive oder Geldgeber beteiligt. Die erzeugten Produkte werden in der Region vermarktet. Dazu tragen auch die AMAP bei. So heißen auf Französisch die regionalen „Gemüsekisten“, also Verpflichtungen der beteiligten Verbraucher, einem Hof jährlich eine bestimmte Menge an Agrarerzeugnissen abzunehmen, und der Landwirte, diese Produkte auch zu liefern.

Noch ist Terre des Liens eine französische Besonderheit. Doch die Organisation kooperiert mit ähnlichen Initiativen in anderen Ländern (etwa den deutschen Gemüsekisten oder solidarisch wirtschaftenden Kooperativen) und es steht zu hoffen, dass die Idee auch hierzulande Nachahmer finden wird. Das wäre eine Ermutigung für alle, die der industriellen Landwirtschaft nicht das Feld überlassen wollen: Bauern, macht euch nicht vom Acker!