VON CHARLOTTE MEYER
|
11.11.2015 14:51
Alte Meister auf neuen Oberflächen – Kulturelle Commons bringen Museen auf unseren PC
Viele Museen, Bibliotheken und Universitäten öffnen mittlerweile ihre Archive im Internet. Doch nicht nur für wissenschaftliche Zwecke, sondern für fast alles Mögliche können ihre Fotographien, Filme und Gemälde weiterverarbeitet werden. Wer schon 1853 auf diese Idee kam und warum Computerspielbewahrer hier künftig eine Rolle spielen werden, berichtet UNI.DE.
Van Gogh als Kopfkissenbezug
An der Smithsonian Institution, der heute größten Museums- und Forschungseinrichtung der Welt in Washington D.C., kam dem Direktor Joseph Henry 1853 ein Gedanke, der heute – angewendet auf das Internet - bahnbrechend scheint: Es kommt nicht auf das an, was sich innerhalb der Wände eines Museums abspielt, sondern darauf, was es in die Welt hinausschickt. Dass man 162 Jahre später technisch in der Lage sein wird, diesen Gedanken wortwörtlich in die Tat umzusetzen, hat sich Henry bestimmt nicht träumen lassen. Durch Commoning kann man mittlerweile Repertoires von Museen im Internet ansehen und die bereitgestellten Bilder für sämtliche Zwecke weiterverwenden. Das Rijksmuseum in Amsterdam etwa hat 200.000 Meisterwerke digitalisiert und sie als lizenzfreie Kopien ins Internet gestellt. So kann man sich mit van Gogh oder Vermeer Kopfkissenbezüge bedrucken oder in ähnlichen kreativen Ideen weiterverarbeiten. Vergleichbare Ansätze verfolgen auch Museen, die Mitglieder von „The Commons on Flickr“ sind. So hat zum Beispiel das National Media Museum in Bradford, Großbritannien, unter anderem Fotographien der Britischen Königsfamilie und von den Olympischen Spielen 1948 in London über die Plattform online gestellt.
Recht auf Remix?
Remix ist ein als Alltags- und Massenphänomen geworden. Auf YouTube, in Videoblogs und anderen Netzwerken wird millionenfach gemixt. Trotzdem ist es laut Deutschem Urheberrecht verboten
[...]»
Größeres Publikum durch freie Lizenzen
Doch nicht nur hochkarätige Gemälde und Fotos sind über Commons lizenzfrei verfügbar, sondern auch Filmmaterial und andere Medien. Vor drei Jahren zu ihrem 80. Geburtstag stellte zum Beispiel die Australian Broadcasting Corporation (ABC) historische
Nachrichtensendungen über Wikimedia Commons aus ihren Archiven ins Internet. Dabei handelte es sich allerdings nicht um Rohmaterial oder Aufnahmen von minderer Qualität, sondern um bearbeitetes und hochwertiges Material. So kann man zum Beispiel Interviews sehen, in denen Arthur Clarke 1974 das Internet und den PC voraussagt oder wo über die Reise zum Mond 1969 gesprochen wird. Für ABC hat das vor allem den Vorteil, dass ihr Material über Wikimedia auf Wikipedia gelangen kann und so einem viel größeren Publikum zur Verfügung steht. ABC möchte so Kreativität fördern und ihre Archive für möglichst viele Leute öffnen. Mit diesem Projekt war die Sendestation 2012 die erste weltweit, die Sendematerial unter einer freien Lizenz veröffentlicht hatte.
Nerds schon einen Schritt voraus
Die Digitalisierung von Archiven und deren lizenzfreie Bereitstellung im Internet ist noch keine alte Erfindung. Schaut man aber in andere Bereiche der digitalen Bewahrung, sieht man, dass dort schon viele Schritte weiter gedacht wird. Die Rede ist von der
Bewahrung von Computerspielen. Zwar handelt es sich hier um eine kleine, hochspezialisierte Gemeinschaft, allerdings sind ihre Erkenntnisse womöglich bald für andere digitale Archive relevant. Da Computerspiele von vornherein digital sind, ist ihre Bewahrung technisch schon weiter, als die von digitalisierten Meisterwerken. Es geht um Kopierschutz und Datenverlust, aber auch um das Problem der schnellen technischen Entwicklung. Disketten verlieren über die Zeit ihre Daten und Kopierschutz von Spielen verhindert ihre Bearbeitung für die Bewahrung. Dadurch, dass sich die Computertechnik so schnell verändert, sind viele Spiele schnell auf neuen Geräten nicht mehr spielbar. Durch sogenannte Emulatoren können alte Systeme nachgebildet werden und so sind technisch veraltete Spiele auf anderen Geräten spielbar.
EU-Forschungsprojekte beschäftigen sich schon jetzt mit solchen Techniken und wenden sie auf Archivierungsprojekte an. So ist zum Beispiel im Rahmen von KEEP (Keeping Emulation Environments Portable) ein System entstanden, in dem solche Emulatoren mit digitalen Sammlungen verbunden werden. Der Bediener solcher Sammlungen muss sich dann nicht mehr mit den Emulatoren auseinandersetzen, sondern hat eine einheitliche Benutzeroberfläche vor sich. Zwar haben sich Computerspiele
als Kulturgut noch nicht in jedermanns Kopf durchgesetzt, aber durch eine größere Kooperation zwischen der „Retro-Gamer-Community“ und traditionellen Archiven oder Museen könnten fruchtbare Kooperationen zur Bewahrung digitaler Kulturgüter entstehen.