VON ANGELA SCHWEIZER
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20.03.2015 14:31
Ab durch die Mitte: Das Problem mit dem Extremismusbegriff
Der Extremismusbegriff ist in Deutschland seit jeher politisches Kampfmittel. Eine kürzlich veröffentlichte Studie der Freien Universität Berlin kam zu dem Ergebnis, dass ein Drittel der Deutschen linksextreme Einstellungen vertrete, ein Fünftel hätte sogar ein „geschlossenes linksextremes Weltbild“ und sei „zur Revolution bereit“. Wie kam die Studie zu ihrem Ergebnis und was bedeutet eigentlich Linksextremismus?
In der deutschen Geschichte gibt es viele Mythen. Ein Mythos, der sich besonders hartnäckig hält, ist der einer gemäßigten Mitte der Gesellschaft, von der ausgehend extremistische Einstellungen nur an den linken und rechten Rändern zu finden sind. Die Mitte der Gesellschaft wird systematisch ausgeblendet, obwohl beispielsweise die Studien der Friedrich-Ebert-Stiftung zur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit „Fragile Mitte – Feindliche Zustände“ seit Jahren zeigen, dass rechtsextreme Einstellungsmuster von bis zu 35% der deutschen Bevölkerung geteilt werden. Das Erkenntnisinteresse über die Ursachen antidemokratischer und rassistischer Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft ist jedoch gering. Schon Gerhard Schröder prophezeite „wer die Mitte durcheinanderwirbelt, erlebt schlimmste Tragödien“. Angela Merkel stellt beruhigenderweise fest, dass die Mitte „rechts von links“ liege. Aha. Familienministerin Kristina Schröder kämpft dafür, Links- und Rechtsextremismus gleichzusetzen und hält Linksextremismus sowieso für weithin unterschätzt. Die von ihr eingeführte Extremismusklausel wurde im Jahr 2014 abgeschafft, da sie Projekte, beispielsweise gegen Rechtsextremismus, als „linksextremistisch“ kriminalisierte.
Ohne Angst verschieden sein
„Wir fühlen uns dem christlichen Menschenbild verbunden. Das ist das, was uns ausmacht“, so Angela Merkel auf ihrer Rede bei einer CDU-Konferenz in Berlin. Wer das nicht akzeptiere, sei hier „fehl am Platz“
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Extremistische Ränder und demokratische Mitte: die Extremismustheorie
Die Extremismustheorie stellt die deutsche Gesellschaft als Hufeisen dar, mit einer demokratischen Mitte und extremistischen Rändern, die sich so ähnlich sind, dass sie sich am Ende zwangsläufig wieder annähern. Dabei werden nicht nur menschenfeindliche Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft ausgeblendet, sondern auch ideologische Unterschiede zwischen Rechts- und Linksextremen relativiert und im schlimmsten Falle verharmlost. Doch es ist ein gewaltiger Unterschied, ob ich ein ungerechtes wirtschaftliches System kritisiere und beispielsweise dafür bin, gesellschaftliche Güter umzuverteilen, oder Menschen aufgrund von Herkunft, Kultur oder Religion das Existenzrecht abspreche.
Härtegrade des Linksextremismus
„Was ist Linksextremismus? Und wenn ja, wie viele?“ fragt Patrick Gensing in seiner
Analyse der Linksextremismusstudie der FU Berlin. Laut der Studie sind ein Fünftel der Deutschen „zur Revolution bereit“ und vertreten sogenannte linksextreme Einstellungsmuster. Von einem „geschlossenen linksextremen Welt- und Gesellschaftsbild“ ist in der Studie die Rede. Doch wie wurden die linken Einstellungsmuster innerhalb der deutschen Bevölkerung erfasst?
Analog der bekannten sechs Einstellungsdimensionen des Rechtsextremismus, nämlich Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur, Chauvinismus, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Sozialdarwinismus und Verharmlosung des Nationalsozialismus, wurden für die Linksextremismusstudie sechs Dimensionen festgelegt: Die
Skala linksextremer Einstellungsmuster (oder das, was
Klaus Schroeder und Monika Deutz-Schroeder von der FU als linksextrem klassifizieren), umfasst demnach die Dimensionen Anti-Kapitalismus, Anti-Faschismus, Anti-Rassismus, Demokratiefeindlichkeit, Kommunismusnahes Geschichtsbild/Ideologie und Anti-Repression. Dies ist also der Maßstab der Studie, laut dem ermittelt wurde, dass 15 Prozent der Deutschen „demokratiefeindlich“ seien, da sie die herrschende Demokratie aufgrund des großen Einflusses der Wirtschaft nicht für echte Demokratie hielten. Laut Gensing wird nicht deutlich, was die Dimension Anti-Repression eigentlich bedeutet. Ist es tatsächlich extremistisch, gegen das Ausüben von staatlicher Gewalt ober Überwachung zu sein? Und ist es extremistisch, auf ein ungerechtes wirtschaftliches System mit einer Kritik am System reagieren? Eine rassistische und völkische Weltanschauung ist per se anti-demokratisch und mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Das Gegenteil davon, nämlich linke Kritik am kapitalistischen Wirtschaftssystem, ist deshalb nicht automatisch antidemokratisch. Genauso wenig wie Anti-Rassismus gegen den deutschen Staat oder die deutsche Verfassung gerichtet ist.
Für alle, die sich fragen, wie linkextremistisch sie auf der Skala eingeordnet würden: Den Fragebogen der Studie jetzt auch als Online-Quiz im Netz:
Linksextremismus-Test.